Interkiezionale Auswertung der Demo „Liebig34 Tag X“ am Abend des 9. Oktober

Diese Auswertung bezieht sich allein auf die Interkiezionale Demo am Abend der Räumung der Liebig34. Insgesamt bewerten wir die Demo als einen Erfolg. Jedoch gibt es sowohl Stellen an denen Sachen besser klappen könnten als auch Punkte die wir als Bündnis kritisch sehen. Einige Aspekte schließen an unsere bisherigen Auswertungen der „Raus aus der Defensive“-Demo vom 1. August (1) und der TagX-Sponti nach der Räumung des Syndikat am 7. August (2) an. Der Text ist wieder länger als gewollt, aber wir denken dass wir in diesen Zeiten in denen Präsenz-Treffen weniger werden, offene Vollversammlungen nur umständlich stattfinden können, wir mehr textlich miteinander kommunizieren müssen.

Stop-And-Go

Etwa 1.000 Menschen versammelten sich am 9. Oktober um den Startpunkt am Monbijouplatz in Berlin-Mitte. Das Bündnis hatte sich diesmal dazu entschieden die Demo anzumelden, um sich – anders als am 7. August, überhaupt sammeln und loslaufen zu können (dazu weiter unten mehr). Die überwiegende Masse an Menschen war schwarz gekleidet und vermummt. Die Cops machten hier keine Vorkontrollen, bewegten sich jedoch im Monbijoupark uniformiert und auch mit Zivilcops um dort größere Menschenansammlungen zu stören. Die Demo durfte erst loslaufen, sobald das Hygienekonzept ihnen passte. Also musste die Demo sich mit großem Abstand aufstellen, was die Unruhe unter vielen die ihre Wut zum Ausdruck bringen wollten, steigerte. Ein Lauti, lieferte beim Auftakt inhaltliche Beiträge, fuhr dann aber ab, als die Demo startete. Wir finden den Verzicht auf einen Lautsprecherwagen besser, weil dieser dann nicht die Demo zerpflügt und Ressourcen frisst. Für eine gute Kommunikation auf der Demo müssen wir aber noch bessere Lösungungen als ein paar Leute mit Megaphon finden. Gegen 21.35 Uhr setzte sich der Frontblock im Dauerregen in Bewegung.

Lückenhafte Kontrolle

Es dauerte keine 200 Meter, da hatten die Cops die Demo bereits gestoppt. Dieses Stop-and-Go setzte sich die ganze Demo hindurch fort. Ein  Grund war angeblich, dass die Cops nicht vorausschauend die Straßen sperrten. Auch die Demo immer wieder angehalten, weil daraus „Straftaten begangen“ wurden. Zusätzlich blieb der Frontblock einige Male stehen, damit sich Lücken in der Dmeo schließen konnten und weil es hieß, hintere Teile der Demo wären gekesselt.

Vor Erreichen der Volxbühne war die Demo auf bis zu 2.500 Teilnehmer*innen angewachsen. Die Stimmung war durchweg laut bis aggressiv. Die Polizeipräsenz konzentrierte sich überwiegend auf den vorderen und mittleren Teil der Demo. Es gab kein durchgehendes Spalier, jedoch gab es stellenweise 2-3 Polizeiketten nebeneinander.

Angriffe und Auflösungsversuch

Nach stimmungsvollem Einsatz von Pyrotechnik wurde in der Alten Schönhauser Straße der Frontblock mehrmals angegriffen. Hier kam es „nur“ zu Faustschlägen. Aus dem kämpferischen Block wurde erstmal niemand festgenommen, auch wenn Transpis zerrissen wurden.

Zu diesem Zeitpunkt war es schon zu Sachschaden aus und um die Demo herum gekommen. Zum Teil durch kleinere Gruppen im Umfeld der Demo, zum Teil aus der Demo heraus. Es entstand ein Szenario, was nicht nur für Cops sondern auch auf Demoteilnehmer*innen chaotisch wirkte. Die Cops nahmen dann eine strategische Pause. Die Demo stand gut 20 Minuten.  Es wurde überlegt, den Frontblock vom Rest der Demo abzutrennen oder aber die Demo aufzulösen. Beides war aber offensichtlich zu heikel, denn schon jetzt bewegten sich immer mehr Menschen aus der Demo raus und fluteten die Nebenstraßen, um dort als kleinere Spontis in unbekannte Richtungen weiterzuziehen. Zur Auflösung dieses Abstroms wurde entschieden die Demo weiterlaufen zu lassen.

Solidarischer Kiez und Abschluss

Auf der Höhe Weinmeisterstr. / Rosenthalerstr. verbreitete sich die FehlInfo, die Demo werde aufgelöst. Es dauerte eine Weile bis alle sich wider beruhigt und aufgestellt hatten. Ab da lief der Demozug ruhiger und fließender. An der Linienstraße206 gab es eine große Solidaritätsbekundung was nochmal Kraft gab. Am Rosenthaler Platz und auf der Kastanienallee solidarisierten sich immer wieder Menschen mit der Demo. Auch in der Kastanienallee gab es Beifall. Die K87 spielte „Ton, Steine, Scherben“ und das Tuntenhaus begrüßte die Demo mit Pyro und Musik. Nach gut drei Stunden erreichte die Demo die Ecke Kastanienallee/Ebserwalderstr., wo sie von der Orga aufeglöst wurde. Viele bekamen das nicht mit, oder blieben passiv am Abschlusspunkt stehen. Hier kam es zu den meisten Festnahmen.

Laut Polizei gab es insgesamt 37 Festnahmen. Einige Menschen wurden auf der Demo von der Polizei verletzt, oder während der Festnahmen auch nach der Demo. Mehrere Menschen mussten ins Krankenhaus. Das Auftreten der Polizei war an einigen Stellen sehr brutal, an anderen Stellen zeigte sich eine Überforderung, die in Passivität endete. Im Zusammenhang mit der Demo wurden bisher 94 Strafverfahren eingeleitet (66xSachbeschädigung, 10xLandfriedensbruch, 8xBrandstiftung, 5xWiderstand, 3xtätlicher Angriff) (3) .

Aber nun zu den strittigen Punkten:

Anmeldung der Demo:

Wir haben uns diesmal vorab entschieden die Demo anzumelden. Nach der Tag X Sponti für das Syndikat war unser Fazit, dass es einige Hürden mit sich bringt, eine Demo nicht anzumelden. Die Cops versuchten von vornherein die Demo am 7. August zu zerschlagen, einige Menschen kamen vielleicht auch gar nicht weil sie diese Konfrontation vermeiden wollten. Wir wollten diesmal unter  laufen und auch nicht frühzeitig abzubrechen. Unserer Meinung nach bot die Anmeldung uns den Schutz, dass die Cops nicht von vornherein versuchten die Demo zu zerschlagen und wir uns sammeln und laufen konnten. Die Ereignisse während der Demo verdeutlichen, dass wir unsere Stärke nicht daran bemessen müssen ob wir es schaffen eine unangemeldete Demo durchzusetzen. Eine konfrontative und kraftvolle Demo kann auch eine sein, die vom Versammlungsrecht geschützt ist.

(De)Mobilisierung: Hetze, Propaganda und zuviele Demonstrationen

Wir sind als Bündnis nicht unzufrieden mit einer Teilnehmer*innenzahl von 1.700-2.500 Menschen. Es war spät und Dauerregen. Viele Menschen waren bereits seit dem frühen Morgen wach wegen der Räumung der Liebig34. Der Großteil der Teilnehmer*innen war schwarz gekleidet und überwiegend vertraut mit einer kämpferischen Demokultur, die auf Anonymität und Ketten als Schutz setzt. Die Anzahl an Menschen, die eine solche Demokultur teilen wächst. Uns freut auch dass der Grad an Organisierung/Vorbereitung auf solche Demos ebenfalls steigt.

Doch geht es uns auch darum, über diesen Kreis hinaus Solidarität zu erhalten, unsere Kämpfe zu verbinden und mehr zu werden. Insgesamt blieb die Größe der Demo unter unseren Erwartungen zurück. Demos für die Rigaer94 oder Liebig14 vor fünf oder zehn Jahren schafften es noch über 5.000 Menschen zu mobilisieren.

Mehrere mögliche Gründe für eine geringere Beteiligung:

1) Die Hetzte in der Presse gegen die Liebig34 und ihr Umfeld wirkte demobilisierend auf das Umfeld, was bisher nicht eindeutig solidarisch war mit den Häusern. Dies lässt die Frage offen, ob wir an unserer Öffentlichkeitsarbeit etwas ändern sollten oder besser wer in unserem Sinne mediale Aufräumarbeit betreibt.

2) Wir haben schlichtweg zu wenig Mobi gemacht für die Demo und erreichten so nur den Kern der autonomen Bewegung und einige Schaulustige.

3) Der von einigen überstrapazierte Verbal-Radikalismus vermittelte Menschen wohlmöglich, dass sie eine bestimmte „militante Praxis“ haben müssten, um auf die Demo zu kommen. Die z.T. kreierten Bilder verengten den Aktionsradius so stark, dass Eigeninitiative auf niedrigem Niveau als unbrauchbar/unerwünscht erschien (mehr dazu weiter unten).

4) Wir können nicht erwarten, dass sich Gruppen & Initiativen uns einfach anschließen. Wenn wir andere erreichen wollen, müssen wir uns für sie und ihre Kämpfe Zeit nehmen. Nur so kann Solidarität untereinander entstehen. Dass sich viele politischen Akteure gegen den Wegfall der Liebig34 ausgesprochen haben, sehen wir als Erfolg. Das Problem war aber, dass viele von diesen solidarischen Gruppen keine Übersetzungs- und Überzeugungsarbeit in die eigenen Milieus leisten wollten, um diese auch zu der Demo zu lotsen.

5) Es gab in den Wochen davor eine unüberschaubare Zahl kurzfristig angekündigter Demos, die dem Ansinnen einer gemeinsamen Demo entgegen gewirkt haben könnten. Welcher Aktion schließt mensch sich an, an welcher wirkt mensch aktiv mit, worauf haben sich die unterschiedlichen Akteure gemeinsam geeinigt um Druck aufzubauen und zu halten? Wer dreimal pro Woche aufgerufen wird „den Arsch hoch zu kriegen“, ist irgendwann überfordert.

Pluspunkte für Atmosphäre, Dynamik & Demokultur

Die Stimmung auf der Demo war insgesamt sehr kraftvoll war. Wir waren beeidruckt davon, dass selbst nach drei Stunden Menschen noch Parolen riefen und über 1.000 Leute im Regen bis zum Ende dabei blieben. Menschen hatten (Schutz-)Schirme dabei, Transpis, Flyer und Pyro, waren dunkel gekleidet und liefen in Reihen. Durch die solide Blockstruktur konnten an einigen Stellen Festnahmen verhindert werden. Auch wurden Cops durch ein bloßes Stehenbleiben an einigen Stellen eingeschüchtert, sodass sie nicht einfach weiter in die Demo rannten.

An anderen Stellen rannten Menschen als ganze Ketten weg und die Polizei konnte trotz Ketten problemlos in die Demo eindringen. Das hatte auch mit den fehlenden Seitentranspis zu tun. Hier sollten wir nochmal über die Sinnhaftigkeit von geschützten Blöcken und Ketten reden. Der Schwarze Block ist nicht nur Ausdruck von Kampfbereitschaft und autonomer Folklore sondern historisch gewachsen um sich vor Polizeiübergriffen effektiv zu schützen und Möglichkeitsräume für die Demoteilnehmer*innen zu eröffnen. Ketten sind dafür da, die Demo zu stabilisieren, sich selbst und Andere in der Demo zu schützen und die Cops rauszuhalten. Dafür ist es oft sinnvoller, Ketten an der Seite der Demo zu machen, also hintereinander als Kette zu laufen um so die Demo seitlich zu schützen. Auch können wir aus anderen Ländern lernen, dass es sicherer ist sich am Hosenbund fetszuhalten anstatt einzuhaken an den Armen. Ketten sind hingegen nicht ganz so mobil wie das freie Fluten. Um die die ganze Straße schnell einzunehmen, Spaliere zu verdrängen und sich vor herbeisausenden Faustschlägen zu schützen sind sie nicht so geeignet. Es braucht also mehr Diskussion und mehr Demotrainings! Was aber klar sein sollte: Fahrräder haben auf so einer Demo nichts zu suchen. Sie behindern in entscheidenen Situation und bürgen für alle hohe Verletzungsgefahren wenn es eng und chaotisch wird.

Kommunikation in die Demo und darüber hinaus

Vier Megaphone entlang der Demo reichten nicht aus, um Informationen unter den Demoteilnehmer*innen zu vebreiten. Teilweise wussten Menschen nicht was los ist, oder es vebreiteten sich falsche Informationen. Was hingegen gut klappte ist, dass Informationen einfach still nach hinten über Ketten durchgegeben werden. Das setzt voraus, dass die Demo strukturiert läuft, weswegen dieser Informationsweg oft nach dem Frontblock abbrach. Auch hier wollen wir weiterhin von anderen Kontexten, wie zum Beispiel Ende Gelände lernen und mehr Menschen für unsere Demostruktur gewinnen um diese auszubauen.

Wir haben uns sehr über die Flyer gefreut, die einige am Rand der Demo an Passant*innen verteilten. Sie erklärten, warum die Demo stattfand und warum es Ausschreitungen gibt und weiter geben wird. Wir halten es als Bündnis für essenziell, Aussenstehende über unsere politisches Ziele und Gründe für eine solche Praxis zu informieren und freuen uns immer sehr, wenn Menschen Eigeninitaive ergreifen und für uns alle diese Aufgabe übernehmen.

Wie leider üblich wurden feministische Parolen, mit Außnahme vom Frontblock, von vielen Menschen auf der Demo nicht mitgerufen. Das ist vor allem schade, ging es doch um die Räumung der Liebig34. Wir sehen es als Ausdruck patriarchaler Einstellungen, dass diese Parolen nicht gerufen werden – ein Problem in den eigenen Reihen, dass es zu überwinden gilt.

Als Interkiezionale sind wir ledigich der Zusammenschluss der für die Projekte kämpft, sodass wir wenig eigene Öffentlichkeitsarbeit machen. Generell halten wir diese für wichtig, denken aber, dass es ausreicht wenn die Projekte für sich selbst Öffentlichkeitsarbeit machen und wir als Bündnis weiterhin nur eine informative & organisatorische Rolle spielen. Unser Pressestatement (4) wurde erst Sonntag veröffentlicht und nicht mehr von der Presse aufgenommen. Wie wichtig eigene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Verbreitung von Gegeninformationen und eigenen Narrativen ist, zeigt die unglaubliche Flut an Scheißmeldungen zur Liebig34 und die Räumung und die endlosen Live-Streams von rechten und konservativen (Massen-)Medien. Zwei oder drei gute Beiträge linker oder liberaler Medien (5), konnten daran wenig ändern.

Demoende und Repression

Es war uns wichtig, dass die Demo nicht wie bei der Demo zum Polizeikongress 2020 oder am 1. Mai 2019 einfach weiter läuft nachdem sich der Frontblock rauszieht. Gemessen daran haben wir es geschafft, die Demo an dem von uns gewählten Punkt zu beenden. Damit die Cops niemanden festnehmen können, müsste hier aber die ganze Demo schneller reagieren. Schnell reagieren um ein Einkesseln zu verhindern, ohne Personen ungeschützt stehen zu lassen. Dies hat nicht so gut geklappt wie es sollte: die Cops konnten zwar nicht kesseln, aber Fetsnahmen gab es trotzdem. Wir sehen hier selbstkritisch, dass wir vorher hätten kommunizieren sollen, was beim Ende der Demo wichtig ist.

Wir haben keinen Überblick, wie viele Menschen durch Polizeigewalt verletzt wurden. Einige Beispiele, wie die brutale Festnahme am Endpunkt, die auch durch die sozialen Medien ging, zeugen von der Brutalität der Cops. Gewalterfahrungen können schwere psychische Folgen haben und Traumata auslösen. Unterstützt euch gegenseitig, meldet euch mit euren Gedächtnisprotokollen bei uns. Das Verschweigen und Runterspielen von Polizeibrutalität schützt nur die Cops und ihre Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit.

Verbaler Radikalismus

Wir wollen einen kritischen Blick werfen auf das, was wir als „Verbalradikalismus“ verstehen. An vielen Stellen haben Einzelne oder auch Gruppen von einer Aktions-Praxis geredet, die wir als Bewegung so in Berlin nicht haben. Damit meinen wir zum Beispiel Phrasen wie „Machen wir die City platt“, „Berlin muss brennen“, „Padovicz in den Kofferraum“ oder dergleichen. Nicht nur ist es mackrig sich mit sowas zu brüsken, oder es anzudeuten, wenn wir es nicht einhalten. Verbalradikalismus schadet uns zudem an mehreren Stellen, wir wollen sie hier einmal aufzählen:

1) Setzen wir Erwartungen sehr hoch an „Wir machen die City platt & Berlin brennt“, so ist vorausgesetzt, dass wir als Bewegung weit hinter unseren Erwartungen zurück bleiben. Wir produzieren so ständige Misserfolge für uns selbst. Was wir brauchen um konstruktiv an uns selbt zu arbeiten sind realistische Einschätzungen was unsere Stärken und Schwächen betrifft. Das setzt voraus, dass Einzelpersonen eine realistische Einschätzung ihrer eigenen Praxis haben und sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, vorzugeben, sie würden etwas machen was sie nicht tun oder sich auch gar nicht vorstellen können. Nur wenn wir eine Atmosphäre haben in der wir ehrlich miteinander sein können, können wir es schaffen, über Ängste zu reden und diese auch zu überwinden.

2) Verbalradikalismus wirkt abschreckend oder einschüchternd. Mit einem einseitigen Fokus auf bestimmte Praxen (Sachschaden/ Brandstiftung) setzen wir auch für andere die Erwartungshaltung sehr hoch an. Wir sollten Menschen in unserer Bewegung und solche die wir gerne für unsere politischen Ziele mobilisieren wollen nicht den Eindruck vermitteln, sie müssten Scheiben einhauen und Autos anstecken um sich auf unsere Demos zu trauen oder an unseren Versammlungen teilzunehmen. Militanz ist ein sehr weiter Begriff und viele unserer Aktionsformen sind weitaus kreativer als die Reduzierung auf Sachschaden. Der „Politische Preis“ einer Räumung lässt sich nicht in verbrannten Geldscheinen messen, sondern in Brüchen der Macht der Herrschenden, im kontinuierlichen Aufbau von Gegenmacht und in sich schärfenden Beziehungen zwischen Bezugsgruppen und politischen Spektren.

3) Ein feministischer Grundsatz ist es, alle politischen Praxen wertzuschätzen, denn sie alle sind wichtig für eine Bewegung – Moderation auf Plena und Kundgebungen, Aufrufe schreiben, Anti-Repressionsgelder sammeln, Plakatieren & Flyern, eine Reihe stellen auf einer Demo, Kochen für KüfAs, Menschen im Knast unterstützen, Bildunsgarbeit & Kindererziehung, Care-Arbeit nach Gewalterfahrungen usw.. Sich so einseitig immer wieder nur auf einige bestimmte Praxen zu beziehen, zeichnet ein falsches Bild davon, was wir alles machen und wovon wir auch mehr brauchen. Jede Aktionsform und politisches Mittel sollte immer als Teil eines Größeren gesehen werden. Demnach lässt sich die Sinnhaftigkeit einer bestimmten Aktionsform auch nicht im Einzelnen ermessen.

(1) https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/08/17/01-08-2020-raus-aus-der-defensive-demo-taktische-auswertung/

(2) https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/09/01/auswertung-der-syndikat-tag-x-sponti/

(3) https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/nach-der-krawall-demo-hat-die-polizei-94-strafverfahren-eingeleitet-li.111514

(4) https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/10/16/pressemitteilung-interkiezionale-tag-x-demonstration-am-9-oktober-war-ein-erfolg

(5) Radio: https://www.aradio-berlin.org/liebig34-live-berichte-zum-nachhoeren/

Fotos: https://umbruch-bildarchiv.org/liebig-34-geraeumt/

Video: https://www.youtube.com/watch?v=qbpWtMD6c88

International: https://www.pinknews.co.uk/2020/10/09/liebig34-eviction-police-anarchist-queer-feminist-squat-liebigstrasse-berlin/

erschienen auch auf Indymedia

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Interkiezionale-Versammlung: 25/10/2020 um 16 Uhr in der Köpi

Die Räumung der Liebig34 ist vorbei, und damit auch eine Ära. Wir wollen zusammen kommen und mit euch über die Räumung reden: wie geht es euch? Wie war für euch der Tag der Räumung? Habt ihr euch an den Tag X Aktionen beteiligt am Morgen und am Abend? Wenn ja, wie waren die für euch. Falls ihr nicht da wart, interessiert uns warum. Was können wir für die nächste Räumung lernen?
Außerdem gibt es Infos für das Diskussions- und Aktionswochenende „United We Fight“ vom 30.10.-1.11.

Sonntag, 25.Oktober um 16 Uhr im Innenhof der Köpi. Bitte tragt Masken & zieht euch warm an!

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Pressemitteilung: Interkiezionale Tag X Demonstration am 9. Oktober war ein Erfolg

Pressemitteilung Berlin, 12.Oktober 2020

Interkiezionale Tag X Demonstration am 9. Oktober war ein Erfolg Starkes Signal gegen Räumungs-Senat und die Stadt der Reichen

Am Freitagabend gingen 2.500 Menschen auf die Straße um gegen die Räumung der Liebig34 und gegen Verdrängung zu demonstrieren. Die Veranstalterin der Demo, das Bündnis Interkiezionale, wertet die Demo als Erfolg: „Die Stärke des Protests zeigt die Unzufriedenheit und die Wut über die kapitalistische Umgestaltung der Stadt. Trotz des riesigen Aufgebots der Polizei und der überwältigenden Hetze gegen den Protest haben sich Menschen nicht davon abhalten lassen ihre Solidarität mit der Liebig34 zum Ausdruck zu bringen“ so Sprecherin Robyn Lebowski.

Die Demonstration wurde immer wieder von der Polizei angehalten und angegriffen. Trotzdem konnte das Ende im Prenzlauer Berg nach vier Stunden erreicht werden. Trotz Seitenspalier, Verletzungen von Teilnehmer*innen durch Angriffe seitens der Polizei und dem ständigen Drosseln des Tempos hatte die Polizei die Situation nicht unter Kontrolle. Viele machten ihren Unmut durch Sachbeschädigungen an Luxusboutiqen und -autos sichtbar. Entlang der Strecke solidarisierten sich immer wieder Menschen mit der Demonstration.

Sprecherin Robyn Lebowski dazu: „Wer sich seit Monaten in der Causa Liebig34 scheintot stellt, dann mit bewaffneten Einheiten Menschen aus dem Haus zwangsräumen läßt, nur um das Profitinteresse des Eigetümers Gijora Padovicz durchzusetzen, hat sich nicht nur von jeglicher politischen Diskussion verabschiedet sondern gefährdet auch den sozialen Frieden in der Stadt“. So hat sich der Senat an keiner Stelle gegen eine Räumung eingesetzt, sondern von vornherein auf Gewalt als politisches Mittel gesetzt und damit die Eskalation der vergangenen Tage billigend in Kauf genommen.

Der Senat hat offensichtlich kein Problem damit, Amtshilfe dieser Größenordnung bei Räumungen als politische Normalität zu etablieren. Selbst in der Corona-Pandemie, entgegen massivem Protest und wenn es um so umstrittene Investor*innen wie G. Padovicz geht. Dieser besitzt über 200 Häuser allein in Friedrichshain, ist bekannt für brutale Entmietungsmethoden, dauerhaften Leerstand sowie illegale Mietvertragsklauseln. Das Haus in der Liebigstr. 34 hat er bereits entglasen lassen, um es nach 30 Jahren zuverlässiger Instandsetzung durch die Bewohner*innen nun bis auf weiteres unbewohnbar zu machen. Padovicz verfolgt nicht nur Kapital-, sondern auch politische Interessen – während es ihm ein persönliches Anliegen war Queerfeminist*innen zu räumen, vermietet er in der Kurfürstenstr. 79 ganze Etagen an die AfD und an das rechtspopulistische Medium EpocheTimes.

Die Interkiezionale ist ein Bündnis aus räumungsbedrohten Projekten in Berlin, das für den Erhalt unkommerzieller, selbstverwalteter Räume kämpft. Seien es Wohn- und Schutzräume wie es die Liebig34 war, oder unkommerzielle und selbstverwaltete Räume für Jugendliche wie es das Jugendzentrum Potse ist, sowie Kollektivkneipen wie die Meuterei und das bereits geräumte Syndikat. Das Bündnis wird sich weiterhin für den Erhalt aller bedrohten Projekte einsetzen und sieht den Konflikt um die Liebig34 nicht für beendet.

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Aktuelle Infos Interkiezionale Demo // Liebig34 Tag X

Es ist soweit. Der nächste Räumunstermin steht an, diesmal soll das anarcha-queerfeministische Hausprojekt Liebig34 geräumt werden. Es ist wohl der größte staatliche Angriff seit Jahrzehnten auf den queerfeministischen Widerstand in der BRD. Ein erster Erfolg für uns ist bereits, dass die Cops meinen 2500 Bullen seien nicht ausreichend um die Liebig34 zu räumen. Wasserwerfer, das SEK, Klettertrupps und viel Unterstützung aus anderen Bundesländern sind angefragt und es ist mit Sicherheit für Berlin die teuerste Räumung des Jahrzehnts.
Als Interkiezionale wollen wir am Abend nach der Räumung, also am Tag X gemeinsam mit euch auf die Straße gehen. Für die Liebig34, für den Queerfeminismus und für eine andere Stadt.

Die Demo wird dieses Mal angemeldet sein. Startpunkt ist der Monbijoupark. Anbei ein paar hilfreiche Infos um euch vorzubereiten. Wir wollen mit der Demo anschließen an die Interkiezionale Dmeo vom 1. August 2020. Unsere Auswertung der Demo könnte euch dabei helfen, zu überlegen, wie ihr euch auf die Demo vorbereiten könnt, was zu beachten ist und wie wir es schaffen können, ausdrucksstarke und kraftvolle auf der Straße zusammen zu kommen.

Aktionskarte mit vorläufiger Route:

Falls ihr Demo-Handys habt oder für vor der Demo könnt ihr euch über folgende Kanäle aktuelle Infos holen:
Aktionsticker: aktionsticker.org
Folgt auf Twitter: #b0910 #liebig34bleibt
Web: interkiezionale.noblogs.org oder liebig34.blogsport.de
EA/ Legal Team: +49 30 6922222

Anfahrt zur Demo:
S-Hackescher Markt, U/S-Alexanderplatz, U-Weinmeisterstraße

Bekannte Taktiken der Berliner Cops auf Demos:
Die Berliner Cops haben eine seit Jahrzehnten sich entwickelnde Taktik der Aufstandsbekämpfung die zum Teil spezifisch für Berlin ist. Die folgenden Darstellungen basieren auf Erahrungswerten aus der Vergangenheit und sind kein Vorwissen über das Agieren der Cops an dem Tag.
Ein häufiges Vorgehen bei Demos ist es, zunächst den Auftaktort zu kontrollieren, sodass Personen nur schwer ohne Kontrolle zum Startpunkt der Demo gelangen können. Auch, aber seltener, kontrollieren die Cops im näheren Umfeld die Zufahrtsstraßen sowie die naheliegenden U-Bahnhöfe. Es ist nicht üblich, dass die Bullen die Anfahrtsorte nach Berlin (Hbf, Ostkreuz etc.) kontrollieren.
Häufig versuchen die Cops, Demos zu kontrollieren, in dem sie nah an der Demo laufen oder sogar im Spalier direkt neben dem Demozug. Ein Extrem stellt der Wanderkessel dar, bei dem die Demo von allen Seiten dicht von Cops begleitet wird. Hier gibt es einige Verhaltensweise die es den Cops schwirieger machen zu kesseln, wie zum Beispiel zu versuchen, die ganze Straßenseite einzunehmen
Die Berliner Bullen filmen sehr viel bis durchgehend, wobei sie bei den Filmaufnahmen auch auf Details wie Schuhe oder andere Merkmale der Kleidung abzielen (Markenzeichen, bunte Nähte, Aufnäher, etc). Ziel ist es, neben der Sicherung von „Beweismaterial“ vermeintlichen Täter*innen zu einem späteren Zeitpunkt zu indentifizieren, da Festnahmen häufig erst dann stattfinden. Dabei warten die Cops mit der Festnahme oft bis nach der offiziellen Äuflösung der Demo oder nehmen Menschen sogar noch Stunden später in der Nähe fest. Durch Sichtschutz, Transparente oder andere Sachen und angepasste Kleidung wird es schwieriger für die Cops, zu filmen bzw. Menschen wider zu erkennen.

Wie könnt ihr euch auf die Demo vorbereiten:
Tragt Masken & Handschuhe um euch und andere zu schützen. Macht euch vorab mit der Route und Umgebung vertraut. Überlegt euch vorab mit euren Buddies, Freund*innen und/oder in der Bezugsgruppe, wie ihr euch in die Demo einbringen könnt um dort auch Eigeninitative zu ergreifen. Achtet auf die Menschen um euch herum sowie auf Ankündigkungen und Lautsprecher-Durchsagen. Falls ihr Festnahmen beobachtet, meldet dies dem EA/Legal Team: +49 30 6922222
Hier ein Link zum Bezugsgruppenreader für Bezugsgruppen, die sich intensiver vorbereiten wollen.

Was solltet ihr zu Hause lassen: privates Handy, Betäubungsmittel, Gegenstände die euch als Waffe ausgelegt werden könnten (Nagelschere o.ä.), Hunde, Fahrräder, Kleinkinder
Was solltet ihr mitbringen: einen Nasen-Mund-Schutz, Handschuhe
Was ist darüber hinaus praktisch: ausgedruckte Aktionskarte, eigene Transparente, Regenschirm, Regenjacke bzw. Wechselkleidung, Sonnenbrillen oder Sichtschutz

Anti-Repression:
Auf der Demo wird der EA (Ermittlungsausschuss) geschaltet sein. Falls ihr Festnahmen beobachtet meldet diese bitte dem EA. Falls ihr selbst festgenommen werdet und eure Festnahme gemeldet wurde, meldet euch bitte ab, sobald ihr aus der GeSa (Gefangenensammelstelle) gelassen wurdet. Zeigt euch solidarisch mit festgenommenen Personen. Die Nummer des EA ist +49 30 6922222
Es wird Gefangenen-Support geben. Informiert euch über den Aktionsticker, Twitter oder lokale Infopunkte um diesen zu unterstützen oder zu erfahren, in welche Gesa menschen gebracht werden.

Niemand soll alleine bleiben mit Repression. Falls ihr festgenommen werdet, meldet euch bei uns lokal oder via Email. Auch im Falle von späterer Unterstützung bei Strafverfahren, Post von den Bullen, Fragen oder sonstiger Unterstützung schreibt eine Email an: interkiezionale[at]riseup.net.
Außerdem bietet die Broschüre „Was tun wenn’s brennt“ der Roten Hilfe erste Unterstützung bei Repression.
Bei Gewalterfahrungen durch die Cops auf oder abseits der Demo kann euch dieser Reader ein kleiner Wegweiser für emotionale Erste Hilfe sein.

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Gastbeitrag: Interventionistische Linke Berlin

Die Liebig34 verteidigen! Denn es geht nicht um die Liebig34

Deswegen nur drei Punkte, die uns wichtig sind:

(1) In einer neoliberalen Welt, in der über die Symbolik die Herrschaft an Materialität gewinnt, gewinnen die symbolischen Kämpfe an Materialität.*

(2) Ob und inwiefern wir mit dem anarcha-queer-feministischen Hausprojekt Liebig34 in politischen Fragen, in kulturellen Fragen oder in unseren Lebensentwürfen übereinstimmen, spielt keine Rolle. Relevant ist, dass die Liebig34 eine gelebte Alternative ist, unter anderem zum patriarchalen Kapitalismus. Eine Alternative öffnet den politischen Raum, sich zu positionieren, sie in Frage zu stellen, Dissens zu formulieren oder aktiv Konsens auszudrücken. Im besten Sinne stoßen Alternativen die Tore zu Diskussionen auf, in welcher Welt wir leben wollen.
Dort, wo nur Konsens herrscht, herrscht der Status quo. Dagegen steht die Liebig34 in jedem Fall für eine andere, für eine radikaldemokratische, feministische und antikapitalistische Gesellschaft. Der Angriff auf die Liebig34 ist insofern ein Angriff auf den Feminismus in dieser Stadt. Mit der Räumung eines solchen Projekts werden nicht nur linke Räume unwiederbringlich zerstört, sondern auch eine eigene gewachsene Organisierungspraxis sowie politische Zusammenhänge von Genoss*innen, die wir in gemeinsamer Bündnisarbeit schätzen gelernt haben. Menschen sind eben immer mehr als ihre körperlichen und politischen Teile.

(3) In vielen linken Diskussionen wird heute lamentiert, die (radikale) Linke müsse wieder authentischer werden. Was darunter verstanden wird, ist oft genauso vielfältig wie umstritten. Wir aber glauben, dass Authentizität auf jeden Fall bedeutet – genauso wie man mit der Nachbarschaft für gerechte Mieten kämpft – das eigene Zuhause zu verteidigen, wenn die vier Wände eingerissen werden sollen; und das mit allen Mitteln. Was gibt es glaubwürdigeres als das Zuhause, den Ort, wo man sich wohlfühlt, dort wo die (Wahl-)Familie ist, wo man ausgelassen sein kann und keiner Affektkontrolle unterworfen ist, mit Händen und Füßen zu verteidigen? Eine solche Einstellung ist authentisch, weil sie kämpft um der Idee willen und nicht, weil sie ökonomistisch abwägt, ob es etwas zu gewinnen oder zu verlieren gibt. Wer Letzteres auf Dauer tut, geht in der Logik des Kapitals auf, nicht nur in Bezug auf die berufliche Laufbahn, sondern auch in seinen sozialen Beziehungen. Die geräumten und bedrohten Projekte sind deshalb auch unsere Projekte. Unvergessen bleiben die Abende und Nächte, die viele von uns dort verbracht und gemeinsam Ideen geschmiedet haben, nicht zuletzt auch, um den herrschenden Institutionen eins auszuwischen.

Der Kampf der Friedel54, des Syndikats, der Potse, der Meute, der Liebig34 mit Infoladen Daneben, der Rigaer94 mit Kaderschmiede etc. pp. steht wegen all dem für so viel mehr als die letzten verbliebenen Reste einer linksradikalen Blase. Sie stehen für die Perspektive, dass die radikale Linke keine Blase sein muss.

Anfang Oktober auf nach Berlin! Alle Termine: http://liebig34.blogsport.de

Interventionistische Linke Berlin, September 2020

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Gastbeitrag: Interkiezionale Aktionstrainings

Uns erreichte ein Beitrag der Gruppe, die sich um die Aktionstrainings im Juli und September gekümmert hat. Den veröffentlichen wir gern und hoffen auf mehr Austausch zu diesem Thema.

By the way: Im Vorfeld zur Liebig34-Räumung am 9. Oktober sind noch einige Veranstaltungen, die in die gleiche Kerbe schlagen und die wir allen dringend empfehlen. Es geht zwar um den Naziaufmarsch am 3. Oktober., aber die Aktionsformen überlappen sich: 27.09.2020, 14:30, Kubiz: Rote-Hilfe Workshop zu klassischen Repressionsgeschichten und am  28.09.2020, 18 Uhr, about:blank: Aktionstraining „Wie verhindern wir einen Naziaufmarsch?“

Auswertung Aktionstrainings im Rahmen der Interkiezionale Sommer 2020

Demos, Spontis, Blockaden und Schnitzeljagden – Massenaktionen in der Stadt können sehr vielfältig sein. Die Interkiezionale Vernetzung der bedrohten Projekte und Supporter*innen hat in den letzten Monaten einiges ausprobiert. Dennoch gibt es viele Punkte, an denen wir arbeiten sollten. Um aus den vergangenen Aktionen für die Zukunft theoretisch und auch praktisch zu lernen und auf der Straße unsere Ziele besser durchsetzen zu können, haben wir im Juli und September 2020 zwei Aktionstrainings explizit für die Interkiezionale durchgeführt.
Wir wollten uns dabei gemeinsam auf die anstehenden Räumungen und vor allem auf die Demos und Aktionen drumrum vorbereiten und den Raum öffnen, um über Erfahrungen zu sprechen. Ziel war es, solidarisch handlungsfähig zu sein, um unsere Meinung auf die Straße zu tragen, ohne dabei zum Spielball des polizeilichen Gegenübers zu werden, und dafür einen selbstbewussteren Umgang mit Aktion und Repression zu entwickeln.

Dabei ging es uns einerseits darum, dass wir unsere angemeldeten oder unangemeldeten Demos auch wirklich machen können. Zum anderen wollten wir ein selbstbestimmtes Demonstrieren für alle. Dafür ist es beispielsweise wichtig ein Verständnis dafür zu entwickeln, was um uns herum vorgeht und Aktionen immer als kollektive zu erfahren. Also auch wegzukommen vom „Survival of the fittest“ und mehr auf einander bezogenes Handeln auf der Straße zu üben.

Dafür müssen wir auch in Zukunft im Gespräch zu bleiben. Standards der Interkiezionalen wie öffentliche Planungen und Auswertungen der Aktionen sind ein guter Beitrag dazu. Mit den Aktionstrainings wollten wir die Vollversammlungen und anderen Diskussionsformate um den praktischen Teil erweitern.

Was uns als roter Faden bei den Interkiezionale-Aktionen aufgefallen und was auch Auslöser der Trainings war, ist, dass es in Berlin zu wenig Eigeninitiative auf Demos gibt. Personen kommen, um an der Demo teilzunehmen, aber ohne eigenen Plan, Bezugsgruppe und Absprachen. Das ist nicht nur frustrierend und lähmend. Es kann auch zu gefährlichen Situationen führen, wenn einzelne Handelnde sich nicht auf die geballte Solidarität der sie umgebenden Masse verlassen können oder wenn es zu Durchgriffen der Polizei kommt, auf die wir nicht vorbereitet sind oder die wir nicht verstehen. Daher wollten wir mit unseren Trainings auch immer wieder die Ziele der Polizei in den jeweiligen Situationen (z.B. Auflösen statt Festnahmen, Kessel und Crowdcontrol) erklären.

Wir meinen, dass zentral ist wieder eine Kultur der Bezugsgruppen und Kommunikation untereinander zu etablieren. Für die Praxis bei Aktionen, wie auch für die politische Arbeit sind die Kleingruppen essentiell. Nicht nur die Bildung von Bezugsgruppen für einen bestimmten Zweck sind entscheidend. Diese müssen auch viel stärker in die Planung und Auswertung, und nicht nur in der Durchführung von Aktionen, als gleichberechtigt integriert werden.

Zudem sollten wir alle stets eine gewisse politisch-praktische Meta-Ebene mitdenken und zum Beispiel im Kopf haben, dass Aktionsformen (Demo, Sponti, Fahrraddemo, Blockade usw.) strategisch gewählt sind: Geht es um den Effekt nach Außen (Öffentlichkeit, jeweiliger Adressat oder Interventionsort), Effekt nach innen (Empowerment, Selbstverständigung, Bündnispolitik) oder den Effekt auf die Polizei / Staat z.B. um Kontrollverlust darzustellen? Die Wahl der Mittel (Choreografie vs. Chaos, Ketten vs. Offenheit, Konfrontation vs. PlanB, Durchbruch vs. Ausweichen, Dezentralisierung vs. Großveranstaltung) sollte sich an dem gewünschten Effekt orientieren und nicht (nur) an den von uns favorisierten Mitteln.


1. Out of Control

Im Nachgang zur 2. November-Demo „One struggle one fight“, haben wir das Konzept „Out of Control“ in einer Veranstaltung wieder bekannter gemacht. Ausgangspunkt war, dass Demos kaum noch politische Inhalte transportieren können, weil sich nur noch mit polizeilicher Repression beschäftigt werden muss, worauf viele von denen die auf Demos gehen nicht vorbereitet sind. Der Umgang mit Repression kann geübt werden, aber auch der Umgang mit der Verunmöglichung von Politik durch Polizeibegleitung. „Out of control“ ist eine dezentrale Antwort, die auf mit einander koordinierte handlungsfähige Kleingruppen setzt. Bei unserem ersten Training am 20. Juli haben wir uns vor allem damit beschäftigt.

Out of Control umfasst eine Vielzahl von Aktionsmöglichkeiten und Handlungsformen, um selbstbestimmter und freier von polizeilicher Repression im öffentlichen Raum demonstrieren zu können. Im Jahr 2020 wurden wegen der Corona-Pandemie einige von diesen Lockerungsübungen ausprobiert. Rund um den 1. Mai und einen Tag vor dem Liebig34-Räumungsprozess Anfang Juni gab es beispielsweise mehr oder weniger erfolgreiche Corona-sensible und polizei-nervende Schnitzeljagden. Problempunkte waren hier: Selbstermächtigung der Kleingruppen, Kommunikation und Repression (Platzverweise).

Es ging beim Training um konkrete direkte Aktionen in und rund um Demonstrationen, um für einen Kontrollverlust seitens der Polizei zu sorgen. Bezugnehmend auf die Proteste in HongKong („Seid wie Wasser“) sollte ein Verständis für eine Dynamik erzeugt werden, die Aktionen insbesondere im Rücken der Polizei ermöglicht.

Dazu aus einem Aufruf zu einer Antirepressions-Demo in Hamburg 2007, ein Jahr vor Heiligendamm: „Out of Control ist Ausbruchsstimmung. Wir wollen (…) die Praxis der Spaliere, Auflagen und Wanderkessel durchbrechen. Nicht mit dem Kopf gegen die Wand sondern überall sein, uns zusammenfinden und ebenso schnell zerstreuen. Wir sind immer dort, wo die Bullen mit dem Rücken zu uns stehen. Immer außerhalb von Kesseln und Einschließungen, immer am Rande der restlichen, gleichzeitig weiterlaufenden Demonstration. Immer in Kontakt und Rufweite. Immer versucht, mehr zu werden und Eigendynamik zu entwickeln. Dieses Konzept lebt davon, dass wir mit den Freiräumen, die wir uns aneignen, auch etwas anfangen.“

In Hongkong 2019 ist die Demokratiebewegung etwas lyrischer: „Seid wie Wasser, seid formlos, seid gestaltlos. Wir können fließen, aber wir können auch etwas zerschmettern“ Oder besser: „Wir verzichten auf länger anhaltende Blockaden bestimmter Bereiche und achten darauf, dass wir uns jederzeit mühelos sammeln und wieder zerstreuen können. Damit behält die Bewegung immer ihre Dynamik.“ Die technsichen Voraussetzungen dafür sind übrigens anspruchsvoll und nicht übertragbar.

Out of Control ist also vielfältig und lebt von Eigeninitiative und Vorbereitung. Es geht darum zu verstehen, was um einen herum passiert: Vielleicht gibt es eine Rangelei, wodurch anderswo Freiräume entstehen? Ist die Demo wirklich vorbei oder geht es anderswo weiter? Da ist ein Polizeikessel? Mal sehen, wie lange noch, wenn sich alle drumrum stellen. Es gilt, immer wachsam zu sein, auch spontan um eine kritische Masse zu organisieren und die von der Polizei erstellte Statik durch eigene Dynamik aufzubrechen.

Dies haben wir beim Aktionstraining thematisiert und einige Übungen für konkreten Demosituationen durchegespielt. Insbesondere sollte die Vielfalt der Beteiligungsmöglichkeiten und Verantwortung innerhalb einer Demo sowie ein geschlossenes Demonstrieren (wer gibt die Richtung vor, wer die Geschwindigkeit) geübt werden.


2. Rein in die Offensive

Neben der Dezentralisierung wollen wir gleichzeitig mehr Geschlossenheit. In einem weiteren Training im Rahmen der Actionweek für die Liebig 34 am 7. September 2020 wollten wir konkreter werden, was dezentrale Aktionen sind. Häufig werden hier nur Andeutungen gemacht, Aufrufe verhallen in Fragezeichen, was zu weiterer Unsicherheit und Lähmung führen kann.

Das zweite Training beinhaltete Schlussfolgerungen aus der „Raus-Aus-Der-Defensive-Demo“ sowie der Syndi-Sponti am 7. August. Laut Auswertungs-Vollversammlung der Interkiezionale waren einige Dinge ausbaufähig. Zum einen das kollektive Verhalten auf der Straße, also Verantwortung für sich, für die eigene Bezugsgruppe aber eben auch für die ganze Demonstration zu übernehmen. Zudem müssen wir besser auch in hektischen Situationen zusammenhalten. Wie dies gehen kann, haben wir mittels einer Videoanalyse und einer Praxisübung gezeigt. Hierzu gehört auch, im Umgang mit der Polizei deren konkrete Ziele zu verstehen und zu konterkarieren (z.B. nicht die Zerstreuung der Demo durch Wegrennen zu unterstützen). Die Polizei will Demos kontrollieren, Menschenansammlungen bündeln, umstellen und dadurch statische Situationen erzeugen. Wie lassen sich solche Situationen aufbrechen? Das heißt nicht, der Militarisierung der Polizei ein Wettrüsten entgegenzusetzen, sondern auf Guerillataktiken zu setzen. Und: Wenn 1/3 der Demo wegrennt, müssen wir überlegen, was können diese Personen noch tun und nicht nur die Gekesselten zählen? Welche Möglichkeiten ergeben sich durch die Zerstreuung?

Was (noch) tun?!

Es gab im Rahmen der Aktionstrainings einige Punkte, die immer wieder als Hemmniss aktiv zu werden oder aktiv zu bleiben auftauchten sowie explizite Wünsche nach weiteren Trainings oder Diskussionen.

Zum einen führt staatliche Repression weiterhin zu starken Unsicherheiten . Wir können dies im Rahmen unser Trainings nur unbefriedigend abdecken. Hier wäre es ggf. sinnvoll auf entsprechende Strukturen zuzutreten und Angebote zur Bewältigng der unterschiedlichen Facetten (juristische, soziale, psychologische, technische) auf die Beine zu stellen.

Zum anderen wurde sich gewünscht, eine Kommunikationsstrategie für Demos zu entwickeln, beispielsweise über Handzeichen. Hier könnten ein paar Zeichen, beispielsweise für „Aufschließen“ oder „Ketten“ oder „Achtung Polizei von rechts“ vereinbart werden (ähnlich dem Plenumshandzeichen-Satz > https://diskussionshandzeichen.wordpress.com/materialdownloads/). Insgesamt wurde sich gewünscht, mehr Struktur in die Demos zu bringen, was unserer Meinung nach nicht über Ordner*innen funktionieren kann, sondern alle beherrschen sollten.

Sinnvoll wäre zudem, regelmäßig Bezugsgruppentrainings sowie zur Entscheidungsfindung anzubieten, beispielsweise um Adhoc-Plena oder Konsenfindung zu üben.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Videoanalysen stets gut ankamen und zu wenig Raum in den Trainings hatten. Um eine weitere Beschäftigung mit den Videos zu ermöglichen, listen wir hier die Links zu den Videos auf, auf die wir uns zum Teil stützen. Achtung: Explizite Polizeigewalt ist zu sehen.

Video: Demoauflösung 1.8.
Bullen greifen nur mit wenigen an. Organisierte Reihen vorne und Hinten bleiben stabil. Die Mitte rennt sofort weg. Leute werden alleine gelassen. Den Cops geht es nicht darum, wen festzunehmen in der Situation, sondern ums Auflösen/Auseinandertreiben. (hierzu auch die Videoszene, wo Bullen nur Schubsen und Schleudern). https://twitter.com/i/status/1289813861600653312

Gleiche Szene nochmal von unten gefilmt von RUPTLY. Darin gut zu erkennen, dass die Bullen nur angerannt kommen und ein Teil der Demo sofort abhaut.
https://twitter.com/i/status/1289846957553270786

Video: Gitter Szene Synidkat Räumung 7.8.
Für die Polizei sind Gitter ebenso eine Barriere. Sie springen nicht einfach so rüber, sondern Pfeffern und versuchen Leute zu greifen.
https://twitter.com/i/status/1291754302739030016

Video: Durchbruch Ende Gelände
Relativ schmale Straße. Die Menge ist sehr langsam, gut geschützt gegen Schläge und Pfeffer. Es wird kontinuierlich gedrückt. Kommt nicht auf die Stärke der ersten Reihen an.
https://www.youtube.com/watch?v=aoykjcrsx50 (bei 1:24min)

Video: Durchbruch Blockupy
Sehr enge Stelle zwischen Autos. Aber nur die Hälfte der Personen versucht es da durch. An den Seiten kann der Rest durchschlüpfen. Mittlere Geschwindigkeit und die Kerngruppe bleibt immer zusammen, rennt nicht einfach durch und lässt auch niemanden liegen. Danach geht es für alle weiter.
https://www.youtube.com/watch?v=3oo1LMpSpuY (bei 1:20min)

Video: Durchbruchsversuch Hannover
Demo stoppt vor der Polizei. Insgesamt zu langsam, kann keinen Druck entfallten, weil auch kein Druck von hinten kommt. Kurze Zeit später kommt sehr viel Polizei. Der Überraschungseffekt ist passé.
https://www.youtube.com/watch?v=YsR8ROMnW7A (bei 1:35min)

Sowie Auswertungstexte rund um Out of Control:

Frankreich (2019) https://non.copyriot.com/unsere-sehnsuechte-sorgen-fuer-unruhe/
Dynamische Demos (2019) https://de.indymedia.org/node/29008
Out of Control Konzept (2007) https://de.indymedia.org/2007/12/202523.shtml
Bericht Out of Control Hamburg http://de.indymedia.org/2007/12/202692.shtml
Bericht Kettenkundgebung Fahrraddemo (2010) http://de.indymedia.org/2010/04/279557.shtml
Auswertungstext und Kritik (in Kommentaren) Carlo Giuliani Demo (2011) https://de.indymedia.org/2011/07/312070.shtml

Aktuelle Aktionen:

Sponti George Floyd: http://4sy6ebszykvcv2n6.onion/node/95661
Entsichern Kongress-Demo: https://entsichern.noblogs.org/demonstration/
Erdogan Tag X Sponti: https://de.indymedia.org/node/19278
Konzept Schwarzer Dezember: https://urbanresistance.noblogs.org/aktuelles/fuer-einen-schwarzen-dezember/
Interkiezionale Demo 02.11.2019 https://de.indymedia.org/node/44608
Aufruf 30.4. https://1mai.blackblogs.org/?p=854
Auswertung 1. Mai: https://1mai.blackblogs.org/?p=877
In Bewegung bleiben Aufruf 22.06.2020 https://de.indymedia.org/node/83838
FAQ zur Aktion am 2. Juni: https://1mai.blackblogs.org/
Auswertung der Syndikat Tag-X-Sponti: https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/09/01/auswertung-der-syndikat-tag-x-sponti/
„Raus aus der Defensive“-Demo: taktische Auswertung: https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/08/17/01-08-2020-raus-aus-der-defensive-demo-taktische-auswertung/

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Räumung zum Desaster machen, aber wie?

Text der Liebig34, im Original unter: https://de.indymedia.org/node/104846

Am 9. Oktober um 7 Uhr morgens werden die Cops uns versuchen zu räumen! Jetzt gilt es das Haus mit allen Mitteln zu verteidigen. Jeder Tag vor dem 09.10. ist nun TagX!
Das Haus wurde bis jetzt verteidigt und uns zu Räumen ist eine Bedrohung für die Stadt geworden. Einerseits geht es jetzt also darum weiter Druck aufzubauen und das Drohszenario zu steigern.

Druck vorher ist nicht unsere ganze Strategie. Um effektiv und kollektiv zu handeln wollen wir hier unsere Gedanken offenlegen wie wir den Räumungsversuch zu einem Desaster für die Cops, den Senat und Padovicz machen können. Dass das nicht die eine Wahrheit ist und viele verschiedene Aktionsformen Sinn machen ist klar. Dennoch wollen wir hiermit Ansätze diskutieren um gemeinsame effektive Aktionen gegen Räumungsversuche zu finden.

Sitzblockaden werden oft versucht um Räumungen zu verhindern. Doch sie erwiesen sich gegen massive Cop-Aufgebote als nicht-effektiv, vor allem wenn, wie bei der Räumung des Syndikats, die strategisch sinnvollen Blockade-Punkte in Sperrzonen liegen. Die Repressionen, die mit Sitzblockaden verbunden sind, sind recht hoch (gemeinschaftlicher Widerstand, Nötigung…) – auch wenn jegliche Repression natürlich unverhältnismäßig ist. Die direkte Konfrontation mit durchmilitarisierten Bullen können wir nicht gewinnen. Durch Überraschung können wir kurzzeitig erfolgreich sein. So sind Sitzblockaden nicht zu verwerfen. Mit dem eigenen Körper, ohne große Hilfmittel, sich zu widersetzen und die Bullen direkt zu blockieren, ist auch ein wichtiges Werkzeug. Wenn wir die Cops mit Sitzblockaden überraschen oder eine große Masse zu bilden, kann sie durchaus effektiv sein. Auch das Gefühl gegen ein Ungerechtigkeit gemeinsam die Straße zu blockieren und ein mit vielen Menschen in einem kollektiven Moment des pysischen Widerstands zu sein, ist wichtig. Wie viele von uns hatten Radikalisierungsmomente beim Anblick von Bullengewalt bei einer Räumung einer Blockade gegen Faschos?

Das Potential von zielgerichtetem Chaos ist hoch. Die hohe Dynamik von autonomen Gruppen, kann die linearen Konzepte von den ops aus den Angeln heben. Jede Barrikade zieht cops. Und wenn sie erstmal da sind, brennt schon die nächste. Außerdem treibt jeder Angriff auf das Kapital, seine Infrastruktur und seine Garanten – die cops – den Preis eines Räumungsversuches in die Höhe.

Am Tag des Räumungsversuches gibt es zwei Ziele. Einerseits müssen wir Zeit gewinnen. Denn die cops wollen immer noch den Raduga e.V. räumen, der wie mittlerweile wahrscheinlich alle wissen, nicht im Besitz der Räume ist. Da die cops das immer noch so versuchen werden, brauchen wir die Zeit damit anwältlich interveniert werden kann. Das zweite Ziel ist es gegen die Räumung politisch zu kämpfen. Sie ist in unserem Fall besonders in die Unterdrückungsformen des Kapitalismus, des Staates und des Patriarchats eingebunden. Diesen und ihrem Instrument der Zwangsräumung haben wir schon seit langem den Kampf angesagt. Wir wollen den Tag auch als Anlass nehmen den Kampf weiterzubringen, in Bewegung zu kommen und offensiv gegen Unterdrückung und Verdrängung zu kämpfen.
So bald emanzipatorische und revolutionäre Ansätze verfolgt werden, sind die Cops nicht weit weg und versuchen unsere Existenzen und unseren Widerstand zu zerstören.
So braucht es einerseits dezentrale Aktionen, die den cops Zeit rauben und damit uns Zeit geben. Infrastruktur ist hier ein guter Ansatzpunkt. Ein Räumungsversuch gegen uns wird mit viel Material und cops verbunden sein, was erstmal herangekarrt werden muss. Diese Logistik gilt es zu stören und zu zerstören.
Die Liebig34 ist Teil des anarchistischen, des queeren, des feministischen Kampfes. Diesen voranzubringen, der politischen Idee des Hauses mehr Bewegung zu geben und gegen die Unterdrückung und Verdrängung anzukämpfen ist nicht nur als Rache zu verstehen, sondern auch das Weiterleben dieser Idee. Die Ziele sind klar Patriarchat, Staat und cops, sowie Kapitalismus und seine Infrastuktur.

Für dezentrale Aktionen – in Berlin und überall!

Und wie immer: Be careful with each other, so that we can be dangerous together!

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Aktionskarte 12.9. 20 Uhr @ Wassertorplatz, Kreuzberg

Freiräume verteidigen! In der Offensive bleiben!

Kommt zur Interkiezionale Demo im Rahmen der feministischen Aktionswoche der Liebig 34!!

Wir wollen pünktlich loslaufen. Bitte tragt Mund-Nasen-Schutz und achtet auf Abstände.

One struggle – one fight!!

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Auswertung der Syndikat Tag-X-Sponti

© Oliver Feldhaus

Das Syndikat ist geräumt. Mit dieser Räumung haben wir eine Niederlage in der aktuellen Phase einbüßen müssen. Die Pläne des Syndikats am Räumungstag sich die Straße vor der Kneipe zu nehmen, wurden durch die Cops verhindert, indem sie kurzfristig eine Sperrzone darum errichteten. So nahmen die Cops Menschen die Möglichkeit, mit ihren Körpern die Räumug zu erschweren. Dass die Cops anders als 2017 bei der Räumung der Friedel54 schon 24 Stunden früher anrückten und den Kiez zum Belagerungsgebiet machten, belegt jedoch auch ihre Angst vor einer wiedergewonnenen Stärke unsererseits.

In der Interkiezionale-Versammlung am 05.08. wurde versucht auf diese Polizeistrategie zu reagieren. Ideen von Blockaden und Chaos im Kiez wurden besprochen. Die Umsetzung dieser Protestformen am Tag X blieb jedoch Bezugsgruppen selbst überlassen, da kein größerer Rahmen zur Organisierung und Orientierung gestellt wurde (wie z.B. Blockaden zentral zu koordinieren und eine „Fingerstruktur“ zu stellen wie es z.B. bei Ende Gelände passiert).

Wäre es uns anders möglich gewesen, die Räumung zu verhindern?
Mit dem Staat und den Kapitalinteressen haben wir es mit sehr mächtigen Gegnern zu tun. Bei der Räumung des Syndikats, wie bei jeder Zwangsräumung, geht es unseren Gegnern niemals nur um die eine Räumlichkeit. Während PearsGlobal sein Eigentum schützen will, um mehr Profit zu machen, schützt der Staat es, um das Prinzip von Privateigentum zu erhalten, welches im kapitalistischen System grundlegend ist. (Ver-)Mietverhältnisse sind eine Methode das Klassensystem aufrecht zu erhalten. Unser Kampf gegen Zwangsräumungen ist daher immer auch ein Kampf gegen das kapitalistische System und seine Logik von Privatbesitz und Mietenzwang als solches.

Als Interkiezionale haben wir uns als bedrohte Projekte verbunden. Nicht allein weil wir zusammen stärker sind gegen dieses Schweinesystem, sondern auch weil wir wissen, dass es in unserem Kampf nicht allein um die Räumlichkeiten der bedrohten Projekte geht. Als Interkiezionale verstehen wir uns als Teil einer Bewegung, die gegen Verdrängung und gleichzeitig für Räume einer emanzipatorischen Bewegung in Berlin kämpft. Die Räumung des Syndikats kann nicht allein für sich betrachtet werden, sondern wird von uns immer in Zusammenhang mit dem Kampf um weitere bedrohte Räume und gegen das System an sich gesehen. Auch finden wir es wichtig zu sagen, dass der Kampf nach einer Räumung nicht vorbei ist. Kollektive finden manchmal noch Jahre später neue Räumlichkeiten. Gleichzeitig können Räumungen auch die Bewegung durch Politisierung, Radikalisierung und Organisierung stärken (z.B. Liebig 14, Lausitzer 8). Die Versammlung nach der Räumung des Syndikats zeigt beispielhaft die Motivation der Unterstützer*innen nicht aufzugeben (https://syndikatbleibt.noblogs.org/post/2020/08/17/der-kiez-nach-der-raumung-wutend-schockiert-aber-es-muss-weitergehen/).

Strategie gegen Räumungen?
Wir wollen in diesem Text die Syndikat-TagX-Sponti auswerten. Vorab ist es uns wichtig zu betonen, dass die Strategie der Interkiezionale Räumungen zu verhindern aus weitaus mehr besteht als aus der Vorbereitung von TagX-Spontis. So gibt es den bestehenden Aufruf zu dezentralen Aktionen, um die Projekte sichtbarer zu machen, Unterstützung zu mobilisieren und den Preis für (angedrohte) Räumung(en) in die Höhe zu treiben. Es gab in den vergangenen Jahren etliche Aktionen in Solidarität mit den bedrohten Projekten und damit die Idee wofür sie stehen. Außerdem machen wir regelmäßig offene Versammlungen, was in Berlin seit langem keine etablierte Praxis mehr ist. Mit offenen Versammlungen wollen wir einen Ort schaffen, der Diskussionen, Austausch, Vernetzung und Vertrauensbildung dient und der eben für alle (die unsere Werte teilen) zugänglich ist. Zu guter letzt sind es Demos, mit denen wir unserer Verbundenheit Ausdruck verleihen und eine kollektive Stärke auf der Straße aufbauen.

Es bleibt unser Ziel, bevorstehende Räumungen zu verhindern. Wie oft kann der Senat es vertragen, wäre jede Zwangsräumung mit viel Protest begleitet? Können wir den Grad der Mobilisierung wie er auf der Demo am 01.08. und um die Räumung vom 06.07.08. aufrecht erhalten? Schaffen wir es vielleicht sogar noch mehr Menschen bei der nächsten (möglichen) Räumung auf die Straße zu bringen? Schaffen wir es, uns besser zu organisieren und damit noch handlungsfähiger zu werden? All diese Fragen begleiten uns, wenn wir einzelne Aktionsformen wie die letzte Tag-X-Sponti bewerten.

Warum eine Sponti?
„Sponti“ steht für „spontane Demonstration“. Im Fall des Syndikats war der Räumungstermin angekündigt, weshalb die Spontanität nur auf die Ankündigung des Ortes zutrifft. Da wir jedoch von unangekündigten und kalten Räumungen/ Räumungsversuchen ausgehen müssen, halten wir weiter an dem Begriff „Sponti“ fest. Wir haben mehrere Ziele mit den Spontis. Zunächst wollen wir eine öffentlich angekündigte Aktion anbieten damit am Tag der Räumung mindestens eine Form von offensivem Protest stattfindet, die für viele zugänglich ist. Da die bedrohten Projekte eigene Konzepte zu ihrem Tag X entwickeln, wollen wir als Interkiezionale an der Stelle ansetzen, wo ein geräumtes Projekt selbst wenig handlungsfähig ist – direkt nach der eigenen Räumung. Zusätzlich wollen wir Raum schaffen für Menschen, nach der Räumung nicht in Ohmacht zu fallen sondern zusammen zu kommen und die eigenen Gefühle auf die Straße zu tragen.

Unser taktisches Vorgehen bzgl. der Tag X-Syndikat Sponti bewerten wir als nicht gelungen. Wir werden aus dieser Niederlage lernen, weiter planen, um beim nächsten Räumungsversuch taktisch klüger der Verdrängung zu entgegnen. Es gilt grundsätzlich zu überlegen: Sind Spontis das Mittel der Wahl oder müssen wir andere Konzepte für die Tage der Räumung und die Zeit davor finden? Falls ja, wie müssen wir die Planung und die Umsetzung anpassen?

Eine sehr kurze Sponti
Die Interkiezionale mobilisierte öffentlich für eine Sponti am Tag X um 21 Uhr und auch für das Konzept, den Startpunkt öffentlich anzukündigen. Am Tag vor der Räumung wurde über diverse Kanäle (Blog, Telegram, Aktionsticker, Twitter) die Info verbreitet, dass am Tag X um 17 Uhr der Startpunkt veröffentlicht würde. Dies passierte dann mit dem Hinweis pünktlich zu erscheinen.

Um 21 Uhr hatten sich bereits mehrere hundert Leute auf dem Richardplatz gesammelt. Etwa um 21.10 Uhr gab es ein (zu leises) Startsignal. Der recht kleine erste Block war leider bereits relativ nah in Richtung Karl-Marx-Straße aufgestellt, sodass es für andere zeitlich kaum möglich schien, sich hinter dem Block zu sammeln bevor er auf die erste Polizeikette stieß (etwa in Höhe Dr.Pogo). Nach ein paar Tritten und Schlägen von den Cops gab es ein weiteres Signal mit dem Ziel in eine andere Richtung zu starten. Doch bewegte sich die Masse nun, ohne Frontblock oder Reihe in Richtung Kirchhofstraße (eventuell war eine ungeplante Vuvuzela mit verantwortlich). Auch wenn es Menschen an der Spitze schnell gelang sich in ein paar Reihen zu formieren, holten auch die Cops die Spitze nach wenigen Metern ein. Sie kamen zu Fuß, von vorne aber auch von hinten vom Richardplatz, vorbeigedrängt an der Menschenmasse. In der leicht kontrollierbaren Kirchhofstraße konnten sie relativ leicht die Spitze angreifen, ohne große Verlute davon zu tragen. Die Masse wich schnell zurück und die Demospitze war allein. Innerhalb weniger Minuten hatten die Cops zwei Kessel errichtet. Eine Person erlitt eine Platzwunde am Kopf. Auch wenn es einzelne Konfrontationen gab und einige Menschen so noch aus dem Kessel kamen, war die Situation schnell statisch. Nach einer Weile erlaubten die Cops Menschen einzeln den Kessel zu verlassen, wobei es mindestens zwei Festnahmen gab.

Auswertung
Ortswahl:
Aufgrund der starken Kiezverankerung des Syndikats wurde beschlossen die Sponti in Neukölln stattfinden zu lassen, sodass die Nachbarschaft daran teilnehmen könnte. Da Absperrungen und hohe Polizeipräsenz im Schillerkiez zu erwarten war, entschieden wir uns gegen einen Startpunkt in unmittelbarer Nähe des Syndikats. Rückblickend war der Ort ein schlechter Kompromiss zwischen Nähe und Distanz zum geräumten Projekt. Aufgrund der vorherigen Räumung und der Angst der Cops vor anschließenden Aktionen, war ihre Präsenz weiterhin sehr hoch. Das machte es ihnen leicht, schnell viele Kräfte zusammen zu ziehen. Dennoch war der Startpunkt zu weit vom Syndikat weg, um mit dieser Nähe nochmal eine deutlich emotionalere Stimmung erzeugen zu können. Beide Konzepte haben ihre Vorteile, müssen dann aber klarer verfolgt werden was uns nicht gelungen ist. Diese Erfahrung werden wir in die Diskussion um künftige Orte einfließen lassen.
Zudem ist zu sagen, dass spontan zusätzlich eine Nachbarschaftsdemo im Kiez für den Nachmittag organisiert und dabei die Spaltung zwischen „friedlicher Nachbarschaftsdemo“ und „wütender Sponti“ aufgemacht wurde. Zum einen bedauern wir dies politisch, zum anderen bzgl. des Konzepts inklusive Ortswahl, welches beides vereinen sollte.

Startpunkt:
Die Wahl fiel auf den Richardplatz, da dieser viele Zugangs und Schleichwege hat. Im Nachhinein ist klar, dass dies ein taktischer Fehler war. Als Orga haben wir unterschätzt wie einfach die Straßen von den Cops abgeriegelt werden können. Dazu kam, dass es am Richardplatz keine zu schützenden Objekte gibt, weswegen sich die Cops komplett auf die Demo konzentrieren konnten. 

Anmeldung:
Es wurde sich im Vorhinein entschieden, die Sponti weder davor, noch vor Ort anzumelden. Durchaus ist die Anmeldung einer Sponti eine Option. Dahinter steht die Diskussion, ob eins sich den Cops beugen will. Im Fall der Syndikat-Tag X-Sponti wurde sich letztendlich gegen eine Anmeldung entschieden, da im Orga-Kreis die Vorstellung, nach einer Räumung mit den Cops über eine Anmeldung zu verhandeln, als keine Option gesehen wurde. Damit wurde in Kauf genommen, dass es schon früh zu einer Eskalation kommen könnte. Hier gab es den Anspruch, stark genug zu sein, die Sponti unangemeldet durchsetzen zu können bzw. eine frühe Eskalation hin zu nehmen.
Wie zu erwarten waren die Cops vor Ort gut aufgestellt und bewiesen eine Null-Toleranz-Politik. Der Richardplatz und alle davon abgehenden Straßen waren voll mit Cops, welche fast alle außerhalb ihrer Wagen standen und engmaschig platziert waren. Deswegen konnten sie beim Start der Demo sehr schnell reagieren. Gepaart mit Schwächen auf unserer Seite vehinderte dies ein Laufen.

Auch wenn der Vorbereitungskreis flexibel auf Situationen reagieren kann, macht es nur bedingt Sinn, von einer vorher angekündigten Strategie abzuweichen. Ein Konzept wie das geplante birgt viele unbekannte Variablen und es kann im Einzelfall durchaus sinnvoll sein spontan eine Route anzumelden, wenn die Gesamtsituation vor Ort (Anzahl und Taktik der Cops, Anzahl und Stimmung der Teilnehmer*innen) ein selbstbestimmtes Durchsetzen der Demo nicht ermöglicht oder aber eine Konfrontation nicht gewollt ist. Demonstrationen sollen uns motivieren und empowern, nicht verehizen oder sich wie eine Niederlage anfühlen.

Mobilisierung: Die Interkiezionale mobilisiert seit Monaten für die Sponti mit dem Hinweis, dass der Startpunkt am Tag X veröffentlicht wird. Es wurde weit im Voraus die Entscheidung getroffen, dass wir als Interkiezionale öffentlich mobilisieren wollen, um solche Aktionen auch Menschen zugänglich zu machen, die wir anders nicht erreichen. So können mehr Menschen an der Aktion teilnehmen, vor allem auswärtige haben so einen besseren Zugang.
Im Nachhinein erhielten wir das Feedback, dass einige Menschen wegen der öffentlichen Ankündigung nicht gekommen sind. Andere Menschen kamen und wussten nicht, dass es eine unangemeldete Demo sein sollte. Dies deutet darauf hin, dass wir in unserer öffentlichen Kommunikation im Vorfeld zum Teil gescheitert sind und den Charakter zukünftiger Spontis noch klarer kommunizieren müssen. Doch sehen wir Menschen auch in der Verantwortung sich selbst zu informieren und sich frühzeitig (z.B. in unseren Vollversammlungen) in strategische Diskussionen einzubringen.
Mit der späten Veröffentlichung des Startpunkts erhoffte wir einen strategischer Vorteil gegenüber den Cops. Vier Stunden scheinen ausreichend für die Cops um sich vorzubereiten. Gleichzeitig befürchteten wir, weniger Menschen zu erreichen wäre die Verspätung zu einer späteren Stunde.
Wir denken aber, dass es möglich ist den Startpunkt viel später zu veröffentlichen und trotzdem vielen eine Teilnahme zu ermöglichen, wenn sich das Zeitfenster rein an der möglichen Anreise zum Startpunkt orientiert und alle potenziellen Teilnehmer*innen „in den Startlöchern“ stehen.
Generell war es für uns als Orga schwer einzuschätzen, wie viele Leute unserem Aufruf zur Sponti folgen würden. Wir waren von über 500 Menschen positiv überrascht. Wir hoffen, dass die Erfahrungen aus der Sponti am 07.8. nicht dazu führt, dass sich viele aus Frust oder Angst an zukünftigen Aktionen dieser Art nicht mehr beteiligen. Wir wollen in einen solidarischen Austausch treten, aus den Fehlern lernen und gemeinsam versuchen es das nächste Mal besser zu machen.

Belastungsgrenze:
Ein großer Fehler war es, unsere Strukturen bzw. die Bewegung zu überfordern. Nach der Demo am 01.08. und der Nacht ums Syndikat war eine dritte Aktion mit Bullenstress innerhalb einer Woche viel.  So war der Grad der Vorbereitung gering, die Organiserung also insgesamt zu schwach um die Demo gegenüber den Cops durchzusetzen. Hier stellt sich die Frage, ob nach einer langen Räumung eine abendliche Aktion überhaupt sinnvoll ist oder diese besser mit etwas Abstand (Tag X+1) stattfinden sollte. Gleichzeitig ist es uns wichtig, die Ohnmacht, die viele Menschen nach einer Räumung empfinden aufzufangen und eine Möglichkeit zu bieten auf die Straße zu gehen.

Anti-Repression:
Als Trostpflaster bleibt, dass die Cops wohl selber etwas abgekämpft waren und die Masse der Leute ohne Festnahmen/Personalienfeststellung abziehen konnte. Wir denken, dass trotz mindestens 10 Tatbeobachtern (zivile Cops, die in „szenetypischer Kleidung“ in der Demo mitlaufen) und Kessel, 3-5 Festnahmen eine gute Quote sind gemessen daran, dass es durchaus einige offensive Auseinandersetzungen mit den Cops gab. Doch müssen wir uns auch hier nochmal für einen wieder unterbesetzten Gesa-Support entschuldigen, der insbesondere nicht darauf vorbereitet war, dass einzelne Personen bis zum Mittag des nächsten Tages festgehalten wurden. Auch wenn es müßig ist, macht es einen Unterschied wie viele Leute eine*n vor der Gesa abholen. Das ist ausbaufähig.
Falls ihr Repression erfahren habt oder für anfallende Repressionskosten spenden wollt, meldet euch beim Syndikat: https://syndikatbleibt.noblogs.org/post/2020/08/12/wir-lassen-niemanden-alleine-we-dont-leave-anyone-alone/

Kollektives Verhalten auf der Demo:
Insgesamt sehen wir den Grad an Organisierung und Motivation auch um den Tag X herum als positiv, gemessen daran, dass in Berlin viele Menschen häufig unorganisert und unvorbereitet auf Demonstrationen gehen. Wir haben wahrgenommen, dass Menschen organisert und vorbereitet waren, was uns freut. Ohne unsere Verantwortung als Orga-Struktur abzuweisen, sondern viel eher auch um in dem kollektiven Verhalten Probleme des Konzeptes zu suchen, wollen wir trotzdem auf Dynamiken unter den Teilnehmer*innen eingehen:
Wir müssen davon ausgehen, dass es vielleicht wieder überwiegend panisches Verhalten war, was dazu führte, dass die Masse ohne Reihen oder ähnliches anfing sich in die Kirchhofstraße zu bewegen. Wegrennen vor den Cops charakterisierte größtenteils die Bewegung der Menschen an dem Abend.
Der
gekesselte erste Block und seine Durchbruchsversuche wurden wenig unterstützt. Dabei ist die Einschätzung des Frontblocks, dass ein Durchkommen durchaus möglich gewesen wäre mit einem entschlossenen Block und einer solidarischen Masse dahinter. Stattdessen ließen sich viele Menschen schnell zurück fallen und überließen die ersten Reihen sich selbst bzw. den Cops. Die Distanz von der größeren Menschenmenge zum Kessel wurde schnell groß. Leute rannten weg, als Cops den Kessel zogen und dabei Menschen auf ihrem Weg verprügelten. Es wurde den Cops so sehr einfach gemacht, Reihen zu ziehen und Kessel zu bilden.
Die Lücke zwischen Kessel und Masse am Richardplatz wurde trotz der irgendwann eher statischen Lage auf dem Richardplatz nicht versucht zu schließen. Genauso wenig nutzten Menschen außerhalb des Kessels ihre Position, um die Cops zu bepöbeln, sie so zu verunsichern und ggf. sogar dazu zu bewegen, den Kessel auflösen zu müssen. Dieses Nicht-Handeln sehen wir im Zusammenhang mit Unerfahrenheit aber auch einer geringen Verantwortungsübernahme von Gruppen auf Aktionen. Wir würden uns wünschen, dass ein verantwortungsbewusstes und solidarisches Handeln selbstverständlich ist.
Natürlich verstehen wir die Angst vor gewalttätigen Übergriffen durch Cops und es ist Quatsch sich unnötig verprügeln und pfeffern zu lassen. Dennoch denken wir, dass wir mehr Selbstvertrauen haben sollten und uns mehr Handlungsoptionen (wieder) aneignen sollten. Schon die Demo am 01.08. hat leider gezeigt, dass Cops oft nicht einmal direkte Gewalt anwenden müssen, um eine Menge zu zersprengen, sondern das schon wenige, rennende Cops ausreichen, um Panik zu verbreiten. Gleichzeitig hat bspw. die nächtliche Blockade der Hermannstraße während der Syndikatsräumung gezeigt, dass ein entschlossenes und kollektives Vorgehen möglich ist und die Taktik der Cops durch Panikmache die Kontrolle zurück zu erlangen effektiv verhindert werden kann. Wir, als Orga-Struktur wollen nach mehr Kollektivität und Solidarität auf Massenaktionen streben, um uns selbst und andere besser zu schützen und flexibel und handlungsfähig zu sein.

Fazit
Die Sponti nach der Syndikat-Räumung war ein Versuch mehr Handlungsmöglichkeiten, abseits von längerfristig im Vorfeld angemeldeten Demos und klandestin organisierten Spontis, zu erlangen. Auch wenn es einige positive Momente im Umfeld der Sponti gab, müssen wir unterm Strich feststellen, dass es uns an diesem Abend nicht gelungen ist, den offensiven und selbstbestimmten Ausdruck zu ermöglichen, den wir als Orga-Kreis angestrebt haben. Dennoch wollen wir das Konzept nicht nach der ersten, überwiegend negativen Erfahrung einstampfen, sondern aus den Fehlern lernen und bestenfalls einen Diskurs mit euch allen darüber führen, wie das Konzept weiter entwickelt werden kann. Für die kommenden TagXSpontis streben wir ein jeweils angepasstes Konzept an. Es ist wichtig zu bedenken, dass sowohl für die Meuterei als auch für die Liebig 34 eine kalte Räumung durchaus stattfinden kann. Hier wären die Bedingungen anders als beim Syndikat – wir hätten wenig Zeit zur Vorbereitung, aber die Cops hätten auch wenig Zeit, da kalte Räumungen teils nur mit privaten Sicherheitskräften stattfinden.

In die Überlegungen zur Sponti fließen viele Faktoren mit ein, zu denen auch einge Faktoren gehören, welche wir nicht vorhersehen können: wie viele Leute kommen? Wie gut organisert sind die Menschen, die kommen? Sind die Menschen vorbereitet auf eine Konfrontation oder möchten sie diese tunlichst vermeiden? Ist es Menschen wichtiger zu laufen, oder eine Null-Verhandlungs-Politik mit den Cops zu fahren?

Wir werden die Tag X Spontandemonstration weiterhin am Tag X (ggf. +1) um 21 Uhr stattfinden lassen. Wir werden die Sponti weiterhin öffentlich bewerben und auch den Startpunkt öffentlich machen. Wir werden uns vorbehalten, die Spontandemonstration vor Ort anzumelden. 

Wir wollen nicht, dass Menschen sich nicht trauen zu kommen bzw. sich verheizt vorkommen, indem wir sie unreflektiert zur nächsten Konfrontation mit den Cops einladen. Unser Ziel ist es, an einem Tag, an dem die Cops unsere Freund*innen aus ihren Räumen prügeln, uns die Straße zu nehmen und auf verschiedene Art und Weise offensiv zu sein. Jedoch bemisst sich diese Offensivität unserer Meinung nach nicht allein daran, ob eine Demonstration angemeldet ist oder nicht. Wir wollen einen kollektiv positiven Moment schaffen und uns in unserer Offensivität wohl fühlen bzw. daran arbeiten das zu erreichen. Wir denken, dass es eine hohe Erwartung an uns alle ist, dass der erste Schritt auf der Straße ist, sich gegen die Cops durchzusetzten um protestieren zu können. Wir wollen diese Taktik nicht ohne weitere Absprachen in Vollversammlungen forsetzten. 

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01.08.2020 „Raus aus der Defensive“-Demo: taktische Auswertung

© Oliver Feldhaus

Als Interkiezionale-Bündnis veröffentlichen wir mit diesem Text eine erste Auswertung der Demo am 01.08.2020. Diese beschränkt sich auf die Taktik einer offensiven Demokultur in Berlin. Dies bedeutet nicht, dass Taktik das einzige ist, woran sich der Erfolg einer Demo messen lässt, noch, dass allein offensive Demos unsere Strategie darstellen. Wir wollen die angeschnittenen Themen mit euch weiter reflektieren und diskutieren, um unsere Strategien weiterzuentwickeln und die Bewegung zu stärken.
Die Auswertung fand vor der Räumung des Syndikats statt und wird darauf nicht Bezug nehmen. Eine Auswertung der Geschehnisse nach dem 01.08. folgt in einem separaten Text in den kommenden Tagen.

Als Organisator*innen der »Raus aus der Defensive« Demo vom 01. 08.2020 sehen wir die Demo und die Spontandemonstration am Abend als einen Erfolg. Die Erwartungen waren hoch angesetzt mit einem offensiven Slogan. Wir haben gemeinsam das Motto umgesetzt, sind „raus aus der Defensive“ gekommen und haben einen kraftvollen, kollektiven Schritt gegen zukünftige Räumungsversuche unternommen. Wir hoffen, dass dieser Tag mobilisierend auf die kommenden Wochen, Demos und Aktionen wirkt.
Auch wenn in Berlin viele Menschen politisch aktiv sind, meinen wir, dass es an kollektiven widerständigen Momenten fehlt. Gemeinsam mit den offensiven Momenten der letzten Zeit haben wir am 01.08. mit dem Bild von einem passiven Berlin gebrochen: z.B. die Interkiezionale Demo am 02.11.2019, die etlichen Besetzungen, die George-Floyd-Sponti, die Sponti in Friedrichshain für die Liebig34 & Rigaer94 und nun diese Demo zeigen, dass wir kollektiv militant sein können. Momente, in denen wir unsere Kämpfe kollektivieren sind Momente, in denen wir tatsächlich gefährlich für den Staat und das Kapital werden. Es sind Momente wie die am 01.08., die uns zeigen, dass unsere Stärke darin liegt, gemeinsam zu kämpfen. Lasst uns daher aus unseren Fehlern lernen und uns von unserem Potential ermutigen.

Was ist passiert?
Am 01.08. fand unter dem Motto „Raus aus der Defensive“ eine Demonstration in Berlin-Neukölln in Solidarität mit bedrohten Projekten statt. Etwa 2500 Menschen sammelten sich am Startpunkt. Nach Redebeiträgen und der Ankündigung, sich im Falle der Auflösung um 23 Uhr im Prenzlauer Berg wiederzutreffen, startete die Demo zügig um 20:20 Uhr vom Herrfurthplatz. Von Beginn an hatte die Demo einen kraftvollen Charakter.
Die Demo formierte sich schnell. An der Ecke Weisestr-/ Herrfurthstr. gab es einen Bannerdrop und eine Pyroshow. Mit einem schnellen Rhythmus, lauten Parolen, Pyro und Rauchschwaden bewegte sich die Demo Richtung Hermannstraße. Trotz der sichtbaren Polizeipräsenz kreierte die Demo eine Atmosphäre von Solidarität und Entschlossenheit.
Links abbiegend auf die Mainzerstraße, wo die Cops das Jobcenter schützten, fand eine erste Konfrontation statt. Menschen ließen es sich nicht nehmen, das Gebäude und die Cops anzugehen. Menschen zündeten weiterhin Pyro und riefen Parolen, viele hatten Transpis und Schirme dabei, um die Demo vor Angriffen zu schützen.
An der Ecke Hermann-/Flughafenstr. wurde dann ein neuer Luxusbau mit Farbbeutel beschmissen.  Während der Frontblock die Flughafenstraße runter lief, griffen die Cops die Demomitte an. Größtenteils ungeschützt durch fehlende Seitentranspis ließ sich die Demo in zwei Teile teilen. Menschen drängten sich an die Seiten der Kreuzung und der zuvor kompakte Demozug löste sich auf. Einige Menschen verteidigten sich gegen die Angriffe der Cops und versuchten trotz Pfeffer die Demo Masse wieder zu strukturieren, Schutz mit Transpis und Schirmen aufrechtzuerhalten und ein Weiterlaufen zu ermöglichen, was ihnen nicht gelang. Die Cops trieben Menschen mehr und mehr in Richtung Hermannstraße und Columbiadamm. Während einige in Panik gerieten und weg rannten, nutzten andere das entstandene Chaos für weitere Aktionen. Da sich der größte Teil der Demo nun Richtung Columbiadamm bewegte, löste sich die Demo mehr und mehr auf.
Von dort lief die größte Masse in Richtung Schillerkiez. Während sich einige treiben ließen, versuchten andere, Barrikaden zu bauen, um sich die Straße zurück zu nehmen. Durch den Kiez laufend gelang die Masse zurück auf die Hermannstraße, wo das Büro der SPD mit Steinen attackiert wurde. Mit steigender Polizeipräsenz und einem Helikopter nun über Neukölln schwirrend löste sich die Masse auf und verschwand in den umliegenden Kiezen. Die Verabredung sich um 23 Uhr im Prenzlauer Berg zu treffen, rückte ohnehin immer näher.

Reflektion 
a) Demo-Struktur & -Orga
Wir müssen selbstkritisch zugeben, dass wir unser Vorhaben pünktlich loszugehen, im Vorhinein nicht kommmuniziert haben. Da wir es gewöhnt sind, dass Demos mit großer Verspätung losgehen, waren viele davon überrascht oder kamen zu spät. Generell halten wir es für sinnvoll, nicht zu spät los zu gehen, da langes Warten eine träge Stimmung erzeugen kann. 
Zudem gab es übliche Kommunikationsprobleme, da die Megaphone bei weitem nicht laut genug waren, um alle in der Demo zu erreichen. Nichtdestotrotz halten wir Megaphone für eine bessere Wahl als einen Lautsprecherwagen. Die Megaphone ermöglichen eine mobile Kommunikationsstruktur – eine Heransgehensweise die in anderen Kontexten (wie Ende Gelände) längst etabliert ist und die wir auch im städtischen Raum ausbauen sollten.

Bezüglich der Demogeschwindigkeit war es ein Problem, dass die Demo über die gesamte Route sehr schnell war. Einerseits ließ der schnelle Start den Cops keine Gelegenheit die Demo gut zu kontrollieren, andererseits hatten es Menschen schwer Schritt zu halten. Dies führte zu Lücken in die Demo mit der Konsequenz, dass Menschen weniger geschützt waren oder weniger Schutz bieten konnten als eine strukturierte Demo. Auch ließ das Tempo wenig Zeit für andere Sachen (Schluck Wasser trinken, Schuh zubinden, etc…).
Stattdessen hätte die Demo mit mehr Selbstsicherheit und weniger Hektik agieren können. Es wäre möglich gewesen im Schillerkiez langsam zu starten, Geschwindigkeit aufzunehmen (z.B. nach den ersten Angriffen) und auch langsamer zu werden wenn Lücken zu schließen sind. Es sollte nicht allein die Demorga sein, die das Tempo bestimmt indem durch Melder*innen auf der Demo und interner Struktur Lücken gemeldet werden. Auch beim Tempo kann, wie es aus anderen Kontexten und Ländern bekannt ist, auf Handzeichen zurückgegriffen werden, die alle kennen. So ist unser agieren anti-hierarchischer und Verantwortung mehr verteilt.

Zum ersten Ziel auf der Route wurde das JobCenter, welches am Anfang der Route liegt. So startete die Eskalation sehr früh. Im Nachhinein denken wir, dass es durch eine frühe Eskalation keine Möglichkeit gab, das Eskalationslevel langsam zu steigern was potentiell mehr Menschen hätte einbinden können. Es hätte von vorneherein eine andere Route angesetzt werden können.

Die Teile der Route hielten unterschiedlich viel Potential, um unsere inhaltliche Kritik an Orten der kapitalistischen und staatlichen Unterdrückung zu äußern. Unglücklicherweise liefen Menschen nach der Auflösung in Richtungen, die taktisch ungeeignet waren (Columbiadamm/ Schillerkiez). Während der Schillerkiez wie eine große Sackgasse aufgebaut ist, besteht er auch überwiegend aus Wohnhäusern. Auch der Columbiadamm ist eine lange gerade und leere Straße. Es ist durchaus möglich, dass die Cops bereits mit der Auflösung versuchten, die Masse davon abzuhalten, sich in bestimmte Richtungen zu bewegen. So oder so, gelang es der Struktur nicht, die Demo in Richtung der geplanten Route zu lenken. Hier braucht es vielleicht weiterführende Diskussion über das Out-of-Control Konzept, denn Out-of-Control sollte nicht heißen, planlos zu agieren.

Insgesamt wissen wir von 7 Festnahmen auf der Demo. Im Umfeld der Spontandemonstration in Prenzlauer Berg hörten wir von mindestens 12 Personenkontrollen und 3 Festnahmen. Alle Festgenommenen (von denen wir wissen) waren am nächsten Morgen wieder aus der Gesa. Schön ist, dass einige Festnahmen aufgrund des Kontrollverlusts der Polizei abgebrochen werden mussten oder nicht durchgeführt werden konnten. Für das Level an Eskalation gab es unserer Meinung nach wenige Festnahmen. Das verdeutlicht mal wieder, dass die Anzahl an Festnahmen häufig geringer ist auf offensiven Demos. Hier zeigt sich ein erster Kontrollverlust der Polizei.
Wir entschuldigen uns dafür, dass einige Menschen alleine waren als sie aus der GeSa kamen. Die Verantwortung für den fehlenden Gefangenen-Support liegt nicht beim EA Berlin, sondern bei uns, den Organisator*innen der Demo.

b) Allgemeine Demokultur
Durch unsere Reaktionen auf der Demo wurde deutlich, dass wir Angst vor den Cops verinnerlicht haben. Ein Beispiel ist, dass sich Menschen an der Ecke Flughafen/ Hermannstraße an die Seiten drängten obwohl zu Anfang nicht viele Cops da waren. Das hatte zur Folge, dass organisierte Reihen alleine da standen und Menschen die das Luxusloft angriffen ungeschützt auf der Kreuzung standen.  Wir hatten den Eindruck, dass viele Menschen panisch wurden und einige Menschen noch mehr Panik erzeugten in dem sie riefen, dass Menschen rennen sollten. Die meisten folgten dieser Dynamik und ließen sich von den Cops jagen. Wir können nicht bewerten, ob es in diesem Moment notwendig war zu rennen, aber wollen unsere allgemeine Angst vor Cops in Frage stellen. Wir meinen, dass die Bewegung sich mehr Selbstbewusstein im Umgang mit Cops aneignen muss, um sie zum Beispiel in organisierten Reihen zu blockieren und Angriffen wie denen am 01.08. nicht wehrlos ausgesetzt zu sein.
Die Cops haben sich weder schlau verhalten noch waren sie zu Beginn viele. Obwohl es Momente gab, in denen wir ihnen zahlenmäßig weit überlegen waren, ließen sich viele Menschen von Gerenne und wild umherfahrenden Wannen wegjagen. Hier könnten wir lernen,  Ruhe zu bewahren. Wir denken, dass es sinnvoll ist, als Einzelpersonen zu lernen, in Stressmomenten wie solchen einen Blick für das Ganze/ Andere und nicht allein für sich selbst zu haben. Wir sollten unser kollektives Handeln weiter trainieren (Aktionstrainings) da wir Demos als gute Möglichkeit sehen, unsere Wut gemeinsam auszurdücken.

c) Prenzlauer Berg Sponti (Plan B)
Während der Demo in Neuköllen wurde angesagt, dass wir uns um 23 Uhr im Prenzlauer Berg treffen, für den Fall, dass wir in Neukölln nicht so laufen können wie wir es wollen. Die Ortswahl war nicht zufällig. Der gewählte Kiez ist einer der meist gentrifizierten Gebiete Berlins und beherbergt viele Immobilienbüros, Luxubauten und überteuerte Geschäfte.
Die Sponti vom Kollwitzplatz zum Senefelderplatz hinterließ einige zerstörte Scheiben. Doch war die eingeschlagene Route nicht ideal. Auch hier war eine andere Route geplant. Aufgrund der Situation am Kollwitzplatz nach dem Auftauchen zweier Wannen und einer Zivikarre, versuchte sich jedoch die Masse aufzulösen bewegte sich kollektiv in eine ungeplante Richtung. Schlussendlich wurde aus diesem Auflösungsversuch der Start der Sponti. Am Senefelderplatz fuhren zwei weitere Wannen an und Bullen sprangen heraus was zur Auflösung führte.

Für die Zukunft möchten wir gerne an der Idee des Plan B weiterarbeiten, da wir selbstbestimmt protestieren wollen. Ein Plan B kann entweder als Drohung an die Cops wirken um uns laufen zu lassen oder aber sicherstellen, dass es mindestens bei einem Plan B zu widerständigen kollektiven Momenten auf der Straße kommt.

Ein wichtiger Punkt in unserer bisherigen Reflektion war die unzureichende Kommunikation darüber wann und ob Plan B (die Sponti) stattfinden würde. Öffentliche Kommunikation in solch einer Situation ist generell kompliziert und bringt uns stets in die Zwickmühle zwischen großen Aktionen die nicht ausschließend sind und in denen wir gemeinsam stark sein können und der durch die Aufmerksamkeit erhöhten Polizeipräsenz. Uns ist es wichtig, Aktionen zu planen, die öffentlich angeworben werden können, damit mehr Menschen daran teilnehmen können und es einfacher ist zu Aktionen dazu zu stoßen, auch weil eins sich vorher schon mit der Gegend oder der Route vertraut machen kann. Gleichzeitig ist die erhöhte Coppräsenz durch öffentliche Mobilisierung eine Hürde. Das Konzept, dass am 01.08. gefahren wurde, sollte einen Mittelweg gehen in dem nur ein Stadtteil, aber nicht der genaue Treffpunkt, öffentlich kommuniziert wurde. Die Diskussion über die Mobilisierung zu spontanen, unangemeldeten Demos (Spontis) wird in unserer Auswertung zur Syndikat-Tag X- Sponti fortgeführt.

Auch mussten wir feststellen, dass Plan B offensichtlich nicht als Androhung wirkte, um die Cops davon abzuhalten uns anzugreifen und die Demo zu zerschlagen. Es war trotzdem wichtig, dass wir unserer Androhung einer späteren Sponti nachkamen. Falls wir an dem Bedrohungspotenzial festhalten wollen, sollten wir Androhungen in Zukunft früher, lauter und direkter an die Verantwortlichen gerichtet formulieren. 

Der letzte Punkt auf den wir eingehen wollen bezüglich Plan B ist, dass wir uns trotz Polizeipräsenz zu einer Sponti formierten und liefen. Wir denken, dass das ein wichtiger Schritt für uns war. Es ist schade, dass die Demoroute darunter litt, dass wir zu Anfang von den Cops weg liefen. Wir wollen Menschen natürlich die Angst vor Repression nicht absprechen, doch meinen wir im allgemeinen, dass wir in den richtigen Momenten keine Angst vor Cops haben müssen. Deswegen glauben wir, dass wir uns aktuell wirklich in die Offensive bewegen. Die Sponti war ein weiterer Schritt um Angst und Ohmacht hinter uns zu lassen. Wir wollen noch mehr kollektive Aktionen, mehr Selbstbewusstsein, mehr Missachtung und mehr Wut gegen das System im allgemeinen und die prügelwütigen Cops im speziellen. Wir freuen uns über einen Austausch zu einer Demokultur, in der sich unsere gemeinsame Stärke entfalten kann.

Vorschau
Mit der kraftvollen Demo sowie der wütenden Sponti als Reaktion sind wir auf einem guten Weg in die Offensive zu kommen. Wie wir bereits am Anfang sagten, sind die Punkte in diesem Text erste Ideen die wir gerne mit euch weiter diskutieren würden. Wir freuen uns über digitales Feedback aber wollen in der Zukunft auch andere Räume für Austausch schaffen. Wir wollen weiter an unserer Strategie feilen und uns an größeren Diskussionen bezüglich Organisierung von kraftvollen Demos und Demokultur beteiligen.

Die Demo war ein starkes Signal und wir wollen alle Räumungsversuche zu einem Desaster machen. Im Falle von Räumungen wollen wir mit Demos und Spontis den Preis in die Höhe treiben. Neben den Aktionen zu Tag X wird es in der Woche vom 7.-13. September eine feministische Aktionswoche geben, in der auch eine weitere Interkiezionale Demo stattfindet

Veröffentlicht unter General | Kommentare deaktiviert für 01.08.2020 „Raus aus der Defensive“-Demo: taktische Auswertung