Das Syndikat ist geräumt. Mit dieser Räumung haben wir eine Niederlage in der aktuellen Phase einbüßen müssen. Die Pläne des Syndikats am Räumungstag sich die Straße vor der Kneipe zu nehmen, wurden durch die Cops verhindert, indem sie kurzfristig eine Sperrzone darum errichteten. So nahmen die Cops Menschen die Möglichkeit, mit ihren Körpern die Räumug zu erschweren. Dass die Cops anders als 2017 bei der Räumung der Friedel54 schon 24 Stunden früher anrückten und den Kiez zum Belagerungsgebiet machten, belegt jedoch auch ihre Angst vor einer wiedergewonnenen Stärke unsererseits.
In der Interkiezionale-Versammlung am 05.08. wurde versucht auf diese Polizeistrategie zu reagieren. Ideen von Blockaden und Chaos im Kiez wurden besprochen. Die Umsetzung dieser Protestformen am Tag X blieb jedoch Bezugsgruppen selbst überlassen, da kein größerer Rahmen zur Organisierung und Orientierung gestellt wurde (wie z.B. Blockaden zentral zu koordinieren und eine „Fingerstruktur“ zu stellen wie es z.B. bei Ende Gelände passiert).
Wäre es uns anders möglich gewesen, die Räumung zu verhindern?
Mit dem Staat und den Kapitalinteressen haben wir es mit sehr mächtigen Gegnern zu tun. Bei der Räumung des Syndikats, wie bei jeder Zwangsräumung, geht es unseren Gegnern niemals nur um die eine Räumlichkeit. Während PearsGlobal sein Eigentum schützen will, um mehr Profit zu machen, schützt der Staat es, um das Prinzip von Privateigentum zu erhalten, welches im kapitalistischen System grundlegend ist. (Ver-)Mietverhältnisse sind eine Methode das Klassensystem aufrecht zu erhalten. Unser Kampf gegen Zwangsräumungen ist daher immer auch ein Kampf gegen das kapitalistische System und seine Logik von Privatbesitz und Mietenzwang als solches.
Als Interkiezionale haben wir uns als bedrohte Projekte verbunden. Nicht allein weil wir zusammen stärker sind gegen dieses Schweinesystem, sondern auch weil wir wissen, dass es in unserem Kampf nicht allein um die Räumlichkeiten der bedrohten Projekte geht. Als Interkiezionale verstehen wir uns als Teil einer Bewegung, die gegen Verdrängung und gleichzeitig für Räume einer emanzipatorischen Bewegung in Berlin kämpft. Die Räumung des Syndikats kann nicht allein für sich betrachtet werden, sondern wird von uns immer in Zusammenhang mit dem Kampf um weitere bedrohte Räume und gegen das System an sich gesehen. Auch finden wir es wichtig zu sagen, dass der Kampf nach einer Räumung nicht vorbei ist. Kollektive finden manchmal noch Jahre später neue Räumlichkeiten. Gleichzeitig können Räumungen auch die Bewegung durch Politisierung, Radikalisierung und Organisierung stärken (z.B. Liebig 14, Lausitzer 8). Die Versammlung nach der Räumung des Syndikats zeigt beispielhaft die Motivation der Unterstützer*innen nicht aufzugeben (https://syndikatbleibt.noblogs.org/post/2020/08/17/der-kiez-nach-der-raumung-wutend-schockiert-aber-es-muss-weitergehen/).
Strategie gegen Räumungen?
Wir wollen in diesem Text die Syndikat-Tag–X-Sponti auswerten. Vorab ist es uns wichtig zu betonen, dass die Strategie der Interkiezionale Räumungen zu verhindern aus weitaus mehr besteht als aus der Vorbereitung von Tag–X-Spontis. So gibt es den bestehenden Aufruf zu dezentralen Aktionen, um die Projekte sichtbarer zu machen, Unterstützung zu mobilisieren und den Preis für (angedrohte) Räumung(en) in die Höhe zu treiben. Es gab in den vergangenen Jahren etliche Aktionen in Solidarität mit den bedrohten Projekten und damit die Idee wofür sie stehen. Außerdem machen wir regelmäßig offene Versammlungen, was in Berlin seit langem keine etablierte Praxis mehr ist. Mit offenen Versammlungen wollen wir einen Ort schaffen, der Diskussionen, Austausch, Vernetzung und Vertrauensbildung dient und der eben für alle (die unsere Werte teilen) zugänglich ist. Zu guter letzt sind es Demos, mit denen wir unserer Verbundenheit Ausdruck verleihen und eine kollektive Stärke auf der Straße aufbauen.
Es bleibt unser Ziel, bevorstehende Räumungen zu verhindern. Wie oft kann der Senat es vertragen, wäre jede Zwangsräumung mit viel Protest begleitet? Können wir den Grad der Mobilisierung wie er auf der Demo am 01.08. und um die Räumung vom 06.–07.08. aufrecht erhalten? Schaffen wir es vielleicht sogar noch mehr Menschen bei der nächsten (möglichen) Räumung auf die Straße zu bringen? Schaffen wir es, uns besser zu organisieren und damit noch handlungsfähiger zu werden? All diese Fragen begleiten uns, wenn wir einzelne Aktionsformen wie die letzte Tag-X-Sponti bewerten.
Warum eine Sponti?
„Sponti“ steht für „spontane Demonstration“. Im Fall des Syndikats war der Räumungstermin angekündigt, weshalb die Spontanität nur auf die Ankündigung des Ortes zutrifft. Da wir jedoch von unangekündigten und kalten Räumungen/ Räumungsversuchen ausgehen müssen, halten wir weiter an dem Begriff „Sponti“ fest. Wir haben mehrere Ziele mit den Spontis. Zunächst wollen wir eine öffentlich angekündigte Aktion anbieten damit am Tag der Räumung mindestens eine Form von offensivem Protest stattfindet, die für viele zugänglich ist. Da die bedrohten Projekte eigene Konzepte zu ihrem Tag X entwickeln, wollen wir als Interkiezionale an der Stelle ansetzen, wo ein geräumtes Projekt selbst wenig handlungsfähig ist – direkt nach der eigenen Räumung. Zusätzlich wollen wir Raum schaffen für Menschen, nach der Räumung nicht in Ohmacht zu fallen sondern zusammen zu kommen und die eigenen Gefühle auf die Straße zu tragen.
Unser taktisches Vorgehen bzgl. der Tag X-Syndikat Sponti bewerten wir als nicht gelungen. Wir werden aus dieser Niederlage lernen, weiter planen, um beim nächsten Räumungsversuch taktisch klüger der Verdrängung zu entgegnen. Es gilt grundsätzlich zu überlegen: Sind Spontis das Mittel der Wahl oder müssen wir andere Konzepte für die Tage der Räumung und die Zeit davor finden? Falls ja, wie müssen wir die Planung und die Umsetzung anpassen?
Eine sehr kurze Sponti
Die Interkiezionale mobilisierte öffentlich für eine Sponti am Tag X um 21 Uhr und auch für das Konzept, den Startpunkt öffentlich anzukündigen. Am Tag vor der Räumung wurde über diverse Kanäle (Blog, Telegram, Aktionsticker, Twitter) die Info verbreitet, dass am Tag X um 17 Uhr der Startpunkt veröffentlicht würde. Dies passierte dann mit dem Hinweis pünktlich zu erscheinen.
Um 21 Uhr hatten sich bereits mehrere hundert Leute auf dem Richardplatz gesammelt. Etwa um 21.10 Uhr gab es ein (zu leises) Startsignal. Der recht kleine erste Block war leider bereits relativ nah in Richtung Karl-Marx-Straße aufgestellt, sodass es für andere zeitlich kaum möglich schien, sich hinter dem Block zu sammeln bevor er auf die erste Polizeikette stieß (etwa in Höhe Dr.Pogo). Nach ein paar Tritten und Schlägen von den Cops gab es ein weiteres Signal mit dem Ziel in eine andere Richtung zu starten. Doch bewegte sich die Masse nun, ohne Frontblock oder Reihe in Richtung Kirchhofstraße (eventuell war eine ungeplante Vuvuzela mit verantwortlich). Auch wenn es Menschen an der Spitze schnell gelang sich in ein paar Reihen zu formieren, holten auch die Cops die Spitze nach wenigen Metern ein. Sie kamen zu Fuß, von vorne aber auch von hinten vom Richardplatz, vorbeigedrängt an der Menschenmasse. In der leicht kontrollierbaren Kirchhofstraße konnten sie relativ leicht die Spitze angreifen, ohne große Verlute davon zu tragen. Die Masse wich schnell zurück und die Demospitze war allein. Innerhalb weniger Minuten hatten die Cops zwei Kessel errichtet. Eine Person erlitt eine Platzwunde am Kopf. Auch wenn es einzelne Konfrontationen gab und einige Menschen so noch aus dem Kessel kamen, war die Situation schnell statisch. Nach einer Weile erlaubten die Cops Menschen einzeln den Kessel zu verlassen, wobei es mindestens zwei Festnahmen gab.
Auswertung
Ortswahl:
Aufgrund der starken Kiezverankerung des Syndikats wurde beschlossen die Sponti in Neukölln stattfinden zu lassen, sodass die Nachbarschaft daran teilnehmen könnte. Da Absperrungen und hohe Polizeipräsenz im Schillerkiez zu erwarten war, entschieden wir uns gegen einen Startpunkt in unmittelbarer Nähe des Syndikats. Rückblickend war der Ort ein schlechter Kompromiss zwischen Nähe und Distanz zum geräumten Projekt. Aufgrund der vorherigen Räumung und der Angst der Cops vor anschließenden Aktionen, war ihre Präsenz weiterhin sehr hoch. Das machte es ihnen leicht, schnell viele Kräfte zusammen zu ziehen. Dennoch war der Startpunkt zu weit vom Syndikat weg, um mit dieser Nähe nochmal eine deutlich emotionalere Stimmung erzeugen zu können. Beide Konzepte haben ihre Vorteile, müssen dann aber klarer verfolgt werden was uns nicht gelungen ist. Diese Erfahrung werden wir in die Diskussion um künftige Orte einfließen lassen.
Zudem ist zu sagen, dass spontan zusätzlich eine Nachbarschaftsdemo im Kiez für den Nachmittag organisiert und dabei die Spaltung zwischen „friedlicher Nachbarschaftsdemo“ und „wütender Sponti“ aufgemacht wurde. Zum einen bedauern wir dies politisch, zum anderen bzgl. des Konzepts inklusive Ortswahl, welches beides vereinen sollte.
Startpunkt:
Die Wahl fiel auf den Richardplatz, da dieser viele Zugangs– und Schleichwege hat. Im Nachhinein ist klar, dass dies ein taktischer Fehler war. Als Orga haben wir unterschätzt wie einfach die Straßen von den Cops abgeriegelt werden können. Dazu kam, dass es am Richardplatz keine zu schützenden Objekte gibt, weswegen sich die Cops komplett auf die Demo konzentrieren konnten.
Anmeldung:
Es wurde sich im Vorhinein entschieden, die Sponti weder davor, noch vor Ort anzumelden. Durchaus ist die Anmeldung einer Sponti eine Option. Dahinter steht die Diskussion, ob eins sich den Cops beugen will. Im Fall der Syndikat-Tag X-Sponti wurde sich letztendlich gegen eine Anmeldung entschieden, da im Orga-Kreis die Vorstellung, nach einer Räumung mit den Cops über eine Anmeldung zu verhandeln, als keine Option gesehen wurde. Damit wurde in Kauf genommen, dass es schon früh zu einer Eskalation kommen könnte. Hier gab es den Anspruch, stark genug zu sein, die Sponti unangemeldet durchsetzen zu können bzw. eine frühe Eskalation hin zu nehmen.
Wie zu erwarten waren die Cops vor Ort gut aufgestellt und bewiesen eine Null-Toleranz-Politik. Der Richardplatz und alle davon abgehenden Straßen waren voll mit Cops, welche fast alle außerhalb ihrer Wagen standen und engmaschig platziert waren. Deswegen konnten sie beim Start der Demo sehr schnell reagieren. Gepaart mit Schwächen auf unserer Seite vehinderte dies ein Laufen.
Auch wenn der Vorbereitungskreis flexibel auf Situationen reagieren kann, macht es nur bedingt Sinn, von einer vorher angekündigten Strategie abzuweichen. Ein Konzept wie das geplante birgt viele unbekannte Variablen und es kann im Einzelfall durchaus sinnvoll sein spontan eine Route anzumelden, wenn die Gesamtsituation vor Ort (Anzahl und Taktik der Cops, Anzahl und Stimmung der Teilnehmer*innen) ein selbstbestimmtes Durchsetzen der Demo nicht ermöglicht oder aber eine Konfrontation nicht gewollt ist. Demonstrationen sollen uns motivieren und empowern, nicht verehizen oder sich wie eine Niederlage anfühlen.
Mobilisierung: Die Interkiezionale mobilisiert seit Monaten für die Sponti mit dem Hinweis, dass der Startpunkt am Tag X veröffentlicht wird. Es wurde weit im Voraus die Entscheidung getroffen, dass wir als Interkiezionale öffentlich mobilisieren wollen, um solche Aktionen auch Menschen zugänglich zu machen, die wir anders nicht erreichen. So können mehr Menschen an der Aktion teilnehmen, vor allem auswärtige haben so einen besseren Zugang.
Im Nachhinein erhielten wir das Feedback, dass einige Menschen wegen der öffentlichen Ankündigung nicht gekommen sind. Andere Menschen kamen und wussten nicht, dass es eine unangemeldete Demo sein sollte. Dies deutet darauf hin, dass wir in unserer öffentlichen Kommunikation im Vorfeld zum Teil gescheitert sind und den Charakter zukünftiger Spontis noch klarer kommunizieren müssen. Doch sehen wir Menschen auch in der Verantwortung sich selbst zu informieren und sich frühzeitig (z.B. in unseren Vollversammlungen) in strategische Diskussionen einzubringen.
Mit der späten Veröffentlichung des Startpunkts erhoffte wir einen strategischer Vorteil gegenüber den Cops. Vier Stunden scheinen ausreichend für die Cops um sich vorzubereiten. Gleichzeitig befürchteten wir, weniger Menschen zu erreichen wäre die Verspätung zu einer späteren Stunde.
Wir denken aber, dass es möglich ist den Startpunkt viel später zu veröffentlichen und trotzdem vielen eine Teilnahme zu ermöglichen, wenn sich das Zeitfenster rein an der möglichen Anreise zum Startpunkt orientiert und alle potenziellen Teilnehmer*innen „in den Startlöchern“ stehen.
Generell war es für uns als Orga schwer einzuschätzen, wie viele Leute unserem Aufruf zur Sponti folgen würden. Wir waren von über 500 Menschen positiv überrascht. Wir hoffen, dass die Erfahrungen aus der Sponti am 07.8. nicht dazu führt, dass sich viele aus Frust oder Angst an zukünftigen Aktionen dieser Art nicht mehr beteiligen. Wir wollen in einen solidarischen Austausch treten, aus den Fehlern lernen und gemeinsam versuchen es das nächste Mal besser zu machen.
Belastungsgrenze:
Ein großer Fehler war es, unsere Strukturen bzw. die Bewegung zu überfordern. Nach der Demo am 01.08. und der Nacht ums Syndikat war eine dritte Aktion mit Bullenstress innerhalb einer Woche viel. So war der Grad der Vorbereitung gering, die Organiserung also insgesamt zu schwach um die Demo gegenüber den Cops durchzusetzen. Hier stellt sich die Frage, ob nach einer langen Räumung eine abendliche Aktion überhaupt sinnvoll ist oder diese besser mit etwas Abstand (Tag X+1) stattfinden sollte. Gleichzeitig ist es uns wichtig, die Ohnmacht, die viele Menschen nach einer Räumung empfinden aufzufangen und eine Möglichkeit zu bieten auf die Straße zu gehen.
Anti-Repression:
Als Trostpflaster bleibt, dass die Cops wohl selber etwas abgekämpft waren und die Masse der Leute ohne Festnahmen/Personalienfeststellung abziehen konnte. Wir denken, dass trotz mindestens 10 Tatbeobachtern (zivile Cops, die in „szenetypischer Kleidung“ in der Demo mitlaufen) und Kessel, 3-5 Festnahmen eine gute Quote sind gemessen daran, dass es durchaus einige offensive Auseinandersetzungen mit den Cops gab. Doch müssen wir uns auch hier nochmal für einen wieder unterbesetzten Gesa-Support entschuldigen, der insbesondere nicht darauf vorbereitet war, dass einzelne Personen bis zum Mittag des nächsten Tages festgehalten wurden. Auch wenn es müßig ist, macht es einen Unterschied wie viele Leute eine*n vor der Gesa abholen. Das ist ausbaufähig.
Falls ihr Repression erfahren habt oder für anfallende Repressionskosten spenden wollt, meldet euch beim Syndikat: https://syndikatbleibt.noblogs.org/post/2020/08/12/wir-lassen-niemanden-alleine-we-dont-leave-anyone-alone/
Kollektives Verhalten auf der Demo:
Insgesamt sehen wir den Grad an Organisierung und Motivation auch um den Tag X herum als positiv, gemessen daran, dass in Berlin viele Menschen häufig unorganisert und unvorbereitet auf Demonstrationen gehen. Wir haben wahrgenommen, dass Menschen organisert und vorbereitet waren, was uns freut. Ohne unsere Verantwortung als Orga-Struktur abzuweisen, sondern viel eher auch um in dem kollektiven Verhalten Probleme des Konzeptes zu suchen, wollen wir trotzdem auf Dynamiken unter den Teilnehmer*innen eingehen:
Wir müssen davon ausgehen, dass es vielleicht wieder überwiegend panisches Verhalten war, was dazu führte, dass die Masse ohne Reihen oder ähnliches anfing sich in die Kirchhofstraße zu bewegen. Wegrennen vor den Cops charakterisierte größtenteils die Bewegung der Menschen an dem Abend.
Der gekesselte erste Block und seine Durchbruchsversuche wurden wenig unterstützt. Dabei ist die Einschätzung des Frontblocks, dass ein Durchkommen durchaus möglich gewesen wäre mit einem entschlossenen Block und einer solidarischen Masse dahinter. Stattdessen ließen sich viele Menschen schnell zurück fallen und überließen die ersten Reihen sich selbst bzw. den Cops. Die Distanz von der größeren Menschenmenge zum Kessel wurde schnell groß. Leute rannten weg, als Cops den Kessel zogen und dabei Menschen auf ihrem Weg verprügelten. Es wurde den Cops so sehr einfach gemacht, Reihen zu ziehen und Kessel zu bilden.
Die Lücke zwischen Kessel und Masse am Richardplatz wurde trotz der irgendwann eher statischen Lage auf dem Richardplatz nicht versucht zu schließen. Genauso wenig nutzten Menschen außerhalb des Kessels ihre Position, um die Cops zu bepöbeln, sie so zu verunsichern und ggf. sogar dazu zu bewegen, den Kessel auflösen zu müssen. Dieses Nicht-Handeln sehen wir im Zusammenhang mit Unerfahrenheit aber auch einer geringen Verantwortungsübernahme von Gruppen auf Aktionen. Wir würden uns wünschen, dass ein verantwortungsbewusstes und solidarisches Handeln selbstverständlich ist.
Natürlich verstehen wir die Angst vor gewalttätigen Übergriffen durch Cops und es ist Quatsch sich unnötig verprügeln und pfeffern zu lassen. Dennoch denken wir, dass wir mehr Selbstvertrauen haben sollten und uns mehr Handlungsoptionen (wieder) aneignen sollten. Schon die Demo am 01.08. hat leider gezeigt, dass Cops oft nicht einmal direkte Gewalt anwenden müssen, um eine Menge zu zersprengen, sondern das schon wenige, rennende Cops ausreichen, um Panik zu verbreiten. Gleichzeitig hat bspw. die nächtliche Blockade der Hermannstraße während der Syndikatsräumung gezeigt, dass ein entschlossenes und kollektives Vorgehen möglich ist und die Taktik der Cops durch Panikmache die Kontrolle zurück zu erlangen effektiv verhindert werden kann. Wir, als Orga-Struktur wollen nach mehr Kollektivität und Solidarität auf Massenaktionen streben, um uns selbst und andere besser zu schützen und flexibel und handlungsfähig zu sein.
Fazit
Die Sponti nach der Syndikat-Räumung war ein Versuch mehr Handlungsmöglichkeiten, abseits von längerfristig im Vorfeld angemeldeten Demos und klandestin organisierten Spontis, zu erlangen. Auch wenn es einige positive Momente im Umfeld der Sponti gab, müssen wir unterm Strich feststellen, dass es uns an diesem Abend nicht gelungen ist, den offensiven und selbstbestimmten Ausdruck zu ermöglichen, den wir als Orga-Kreis angestrebt haben. Dennoch wollen wir das Konzept nicht nach der ersten, überwiegend negativen Erfahrung einstampfen, sondern aus den Fehlern lernen und bestenfalls einen Diskurs mit euch allen darüber führen, wie das Konzept weiter entwickelt werden kann. Für die kommenden Tag–X–Spontis streben wir ein jeweils angepasstes Konzept an. Es ist wichtig zu bedenken, dass sowohl für die Meuterei als auch für die Liebig 34 eine kalte Räumung durchaus stattfinden kann. Hier wären die Bedingungen anders als beim Syndikat – wir hätten wenig Zeit zur Vorbereitung, aber die Cops hätten auch wenig Zeit, da kalte Räumungen teils nur mit privaten Sicherheitskräften stattfinden.
In die Überlegungen zur Sponti fließen viele Faktoren mit ein, zu denen auch einge Faktoren gehören, welche wir nicht vorhersehen können: wie viele Leute kommen? Wie gut organisert sind die Menschen, die kommen? Sind die Menschen vorbereitet auf eine Konfrontation oder möchten sie diese tunlichst vermeiden? Ist es Menschen wichtiger zu laufen, oder eine Null-Verhandlungs-Politik mit den Cops zu fahren?
Wir werden die Tag X Spontandemonstration weiterhin am Tag X (ggf. +1) um 21 Uhr stattfinden lassen. Wir werden die Sponti weiterhin öffentlich bewerben und auch den Startpunkt öffentlich machen. Wir werden uns vorbehalten, die Spontandemonstration vor Ort anzumelden.
Wir wollen nicht, dass Menschen sich nicht trauen zu kommen bzw. sich verheizt vorkommen, indem wir sie unreflektiert zur nächsten Konfrontation mit den Cops einladen. Unser Ziel ist es, an einem Tag, an dem die Cops unsere Freund*innen aus ihren Räumen prügeln, uns die Straße zu nehmen und auf verschiedene Art und Weise offensiv zu sein. Jedoch bemisst sich diese Offensivität unserer Meinung nach nicht allein daran, ob eine Demonstration angemeldet ist oder nicht. Wir wollen einen kollektiv positiven Moment schaffen und uns in unserer Offensivität wohl fühlen bzw. daran arbeiten das zu erreichen. Wir denken, dass es eine hohe Erwartung an uns alle ist, dass der erste Schritt auf der Straße ist, sich gegen die Cops durchzusetzten um protestieren zu können. Wir wollen diese Taktik nicht ohne weitere Absprachen in Vollversammlungen forsetzten.